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01.03.2016

16. Forum Jugendhilfe informierte über Legal Highs

Warum „Badesalze“ nicht harmlos sind

Dass Jugendliche Drogen nehmen, ist ein altes Phänomen. Alkohol, Cannabis, Kokain – jede Generation hatte „ihr“ Rauschmittel. Derzeit fahren Teenager auf Kräutermischungen und „Badesalze“ ab. Was harmlos klingt, ist oft hochgefährlich, zeigte das 16. Forum Jugendhilfe des Kreisjugendamtes Würzburg auf. „Denn man kauft immer die Katze im Sack“, brachte es der Würzburger Apotheker Wolfgang Schiedermair auf den Punkt. Niemand könne wissen, was er genau konsumiert.

Schiedermair erläuterte dies vor den über 100 Teilnehmern am Beispiel der Kräutermischung mit dem fantasievollen Namen „Nightmare“: „Ein Drogenkonsument mag die Mischung vor zwei Wochen gekauft haben und möchte sie nun wieder bestellen. Doch nach diesen zwei Wochen ist die Zusammenstellung möglicherweise komplett anders.“ Das betrifft oft gleichzeitig die Menge der psychotropen Substanz, den Reinheitsgrad und die Qualität. Aus diesem Grund, so der Pharmazeut, komme es oft zu Überdosierungen – mit teilweise tödlichem Ausgang.

„In Unterfranken sind in den letzten Monaten drei Menschen zu Tode gekommen und viele, vor allem junge Menschen, seien in Kliniken eingeliefert worden“, informierte der Leiter des Kreisjugendamtes, Hermann Gabel. „Dieses Thema treibt viele Menschen um. Das zeigt auch das Interesse an dieser Veranstaltung. Wir mussten leider zirka 60 Interessenten absagen“.

Derzeit beobachtet das EU-Frühwarnsystem laut Florian Daxer, Oberarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie Würzburg, mehr als 450 neue psychoaktive Substanzen, die aktuell in über 650 Online-Shops europaweit vertrieben werden. Die „Legal Highs“ oder neue psychoaktive Substanzen (NPS), wie die neuen Drogen auch genannt werden, stellen Mediziner nach seinen Worten vor immense Probleme: „Wir können oft nicht sagen, welche Substanz ein Patient konsumiert hat.“ Was sein Kollege Frank Maier, Oberarzt der Uni-Kinderklinik Würzburg, bestätigte: „Die meisten neuen Substanzen sind mit unseren herkömmlichen Labormaßnahmen nicht nachweisbar.“

Das macht der Klinik zu schaffen, weil zunehmend mehr Kinder und Jugendliche nach dem Konsum einer Kräutermischung oder eines Badesalzes stationär aufgenommen werden müssen. In der Kinderklinik kam dies im vergangenen Jahr im Durchschnitt fast jeden Monat einmal vor. Die Folgen des Kräutermischungskonsums können den beiden Ärzten des Uni-Klinikums zufolge verheerend sein. Nicht selten fügen sich die User im Drogenrausch schwere Verletzungen zu. Langfristig können Psychosen ausgelöst werden. Daxer: „Je früher jemand anfängt, diese Drogen zu konsumieren, umso höher ist sein Risiko, eine Psychose zu entwickeln.“

Dass heute sehr viele Jugendliche mit Drogen experimentieren, schlägt sich auch in der Statistik der Jugend- und Drogenberatung Würzburg nieder. „2015 haben wir über 1.000 Klienten beraten“, so Einrichtungsleiter Holger Faust. So viele wie noch nie in der Geschichte der Beratungsstelle. Unter den Ratsuchenden waren auch 70 junge Menschen, die Kräutermischungen zu sich nahmen.

Auf die Frage nach dem „Warum“ gibt es dem Sozialarbeiter zufolge viele Antworten. Auffällig sei, dass zahlreiche Teenager Entspannung suchen, weil sie sich durch Schule und eng getaktete Freizeitaktivitäten chronisch gestresst fühlen. Der Leistungsdruck in unserer Gesellschaft, so Faust, sollte vor diesem Hintergrund einmal kritisch reflektiert werden.

Nicht nur Medizinern und Sozialarbeitern bereiten die neuen Rauschmethoden Sorgen. Auch die Polizei sieht sich vor ein immenses Dilemma gestellt. Weil sich die Mischungen ständig ändern und kein Stoff klar definiert werden könne, habe der Rechtsstaat kaum eine Handhabe, um gegen Handel und Konsum vorzugehen, erläuterte Erster Polizeihauptkommissar Jürgen Maier, Leiter der Polizeiinspektion Ochsenfurt. Jeder Inhaltsstoff müsste einzeln verboten werden. Doch sowie ein Stoff verboten ist, gehen die Hersteller daran, den nächsten Stoff in ihren Labors zu kreieren.

Selbst Rauschgiftspürhunde, bisher zuverlässige „Kameraden“ im Kampf gegen Drogen, könnten nicht mehr eingesetzt werden: „Bevor sie auf einen Stoff konditioniert sind, gibt es den nächsten.“ Schließlich gebe es auch keine Dealer mehr, die vor der Disco auf Kundschaft lauern: „Man bestellt von zu Hause aus im Internetshop.“

Die neuen Rauschmittel wie Kräutermischungen sind nach Einschätzung des Polizeibeamten die Zukunft des Drogenmarktes. Die einzige Chance, gegenzusteuern, sieht er in der Prävention. Hier setzt auch die neueste Aktion des Kreisjugendamts an: In aufwändiger Arbeit wurde seit April 2015 unter der Regie von Präventionsfachfrau Melanie Kuhn ein neuer Suchtpräventionsparcours entwickelt. Beim Forum Jugendhilfe konnte er von Lehrern, Jugendpflegern und Sozialarbeitern aus der Region erstmals ausprobiert werden. Noch vor den Sommerferien soll er in die Schulen kommen.