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4. Bürgerreise des Landkreises Würzburg nach Tschechien

Zwischen Weltkulturerbe und Kindheitsspuren

4. Bürgerreise des Landkreises zu den Partnern in Tschechien

Die vierte Bürgerreise des Landkreises Würzburg in die Partnerregion Olmütz (Olomouc) war für alle 47 Reisende ein Gewinn. Für viele Teilnehmer war es eine Reise auf den Spuren ihrer Vorfahren oder in die eigene Kindheit, für andere eröffnete sich die Vielfalt der Kultur eines Landes, das noch viel mehr zu bieten hat als Pilsner Urquell und die Goldene Stadt Prag. Die Tour führte zun vier Stätten des Unesco-Weltkulturerbes: die barocke Dreifaltigkeitssäule in Olmütz, das Renaissance-Schloss in Leitomischl (Litomyšl), die Nepomuk-Kapelle auf dem Grünen Berg von Saar an der Sazawa (´ďár nad Sázavou) und natürlich in die Hauptstadt Prag. Neben touristischen Sehenswürdigkeiten standen auch Einblicke in die politische, gesellschaftliche, religiöse und wirtschaftliche Gegenwart der Tschechischen Republik auf dem Reiseplan. Zudem nutzten zahlreiche Teilnehmer den Besuch in Tschechien, um Verwandte und Freunde aus der Kindheit oder auch Gräber von Verwandten zu besuchen.

Mährisch-Schönberg, Olmütz, Würzburg: Gute Partner seit 1997
Der Landkreis Würzburg pflegte seit 1997 eine enge Partnerschaft mit dem damaligen Landkreis Mährisch-Schönberg (Šumperk), der 2003 durch die Gebietsreform in Tschechien in die Region Olmütz, die heute rund 634.000 Einwohner hat, eingefügt wurde. Seitdem wird die Partnerschaft durch das Kreisamt Olmütz aufrechterhalten. Dennoch gilt ein Besuch auch immer der Stadt Mährisch-Schönberg, wo der seit 2002 amtierende Bürgermeister Zdeněk Brož die Gruppe herzlich willkommen hieß. „Mit den Begegnungen im Rahmen unserer Partnerschaft haben wir mehr für das gegenseitige Verständnis und für die Versöhnung unserer Völker erreicht als unsere Regierungen“, erklärte Bürgermeister Brož. Deutsch-Schüler des Gymnasiums Šumperk hatten sich als „Stadtführer“ vorbereitet und zeigten den Gästen aus Würzburg in Kleingruppen ihre Stadt und ihre Schule. Ein gemeinsames Mittagessen in der Schulkantine beschloss diese herzliche Begegnung der Generationen. Auch der Kreisjugendring Würzburg pflegt die Partnerschaft mit gelegentlichen künstlerischen inklusiven Workshops für Jugendliche.

Olmütz und das Weltkulturerbe Nummer 1
Im Olmützer Kreisamt begrüßte stellvertretender Regionspräsident Radovan Rašťák die Gäste aus dem Partnerlandkreis und gab Auskunft auf zahlreiche interessierten Fragen der Reisegruppe. Die Arbeitslosigkeit in der Region Olmütz beträgt derzeit rund 5 Prozent, das Durchschnittsgehalt liegt bei 1.000 Euro. Die Stadt Olmütz, einst die Hauptstadt von Mähren, hat rund 100.000 Einwohner, darunter 20.000 Studenten der Palacky Universität. Eva Kušová, vielen Würzburgern gut bekannte Stadtführerin, zeigte die gut restaurierte Innenstadt mit der Wenzelskathedrale, dem Erzbischöflichen Palast und der 35 Meter hohen Dreifaltigkeitssäule, seit 2000 auf der Weltkulturerbe-Liste der Unesco steht. Abendliche Besuche in den gemütlichen tschechischen Bierlokalen, in denen noch oft spontan musiziert und gesungen wird, gehörten für viele zum Ausklang der mit Informationen ausgefüllten Tage.

Olmützer Quargel und Hochleistungskeramik
Olmütz wird von der Hanna-Ebene umgeben, eine fruchtbare landwirtschaftliche Fläche, die ein wenig an den Ochsenfurter Gau erinnert. Hier, im mährischen Loschitz (Loštice), gab es Einblick in die Produktion des berühmten Olmützer Quargels. Diesen traditionellen Sauermilchkäse mit Rotschmiere, dem Harzer Käse verwandt, kannten noch viele Mitreisende aus ihrer Kindheit. Ein Spaziergang entlang der Auenwälder der March, die als Morava einst dem Gebiet Mähren den Namen verlieh, ließ trotz kühler Witterung die Naturschönheit des Landes erleben.

Einblick in die wirtschaftliche Situation des Landes gab ein Besuch bei der Firma CeramTec, einem international tätigen Anbieter von technischer Hochleistungskeramik, die u.a. Module für künstliche Hüftgelenke oder Dichtungsscheiben für Mischbatterien fertigen. Das 1903 in Marktredwitz gegründete Unternehmen ist seit vielen Jahren erfolgreich in Mährisch-Schönberg ansässig. Eine spektakuläre Sonderanfertigung an diesem Standort war zum Beispiel ein keramischer Dichtungsring mit rund einem Meter Durchmesser für die Schiffsschraube des Kreuzfahrtschiffs Queen Mary.

Zu Besuch bei Rittern und Grafen
An Burgen und Schlössern ist Tschechien reich. Zwei besonders beeindruckende Beispiele erkundete die Reisegruppe mit der Burg Sternberg (Šternberk), einer im 13. Jahrhundert erbauten „echten Ritterburg“ mit wehrhaftem Charakter und wertvoller Ausstattung aus verschiedenen Jahrhunderten. Schloss Leitomischl (Litomyšl) im böhmisch-mährischen Grenzgebiet und ebenfalls auf der Unesco-Weltkulturerbe-Liste, überraschte als einzigartiger Renaissance-Bau mit liebevoll dekorierten Interieurs der Familie Pernstein, die das Schloss einst errichten ließ. Besonders das intime Schlosstheater aus dem Jahr 1797 fand großen Gefallen. Auch ein Flügel, an dem der junge Bedřich Smetana gespielt hat – er wurde in der benachbarten Brauerei geboren – ist dort zu bewundern. Das historische Stadtbild von Leitomischl spiegelt den einstigen Reichtum einer Stadt an der Handelsstraße wider.

Begegnung mit dem seligen Pater Engelmar Unzeitig und Oskar Schindler
Eine besonders aktuelle Verbindung zu Würzburg bot der Besuch in Greifendorf (Hradec nad Svitavou) bei Zwittau (Svitavy), dem Geburtsort von Pater Engelmar Unzeitig CMM, der erst kürzlich in Würzburg selig gesprochen wurde. Der „Engel von Dachau“ wurde hier als Kind einer deutschstämmigen Familie geboren und getauft. Er trat den Marianhiller Missionaren bei und feierte am 15. August 1939 in seinem Heimatort Greifendorf Primiz. Nach seiner Internierung im KZ Dachau 1941 meldete er sich freiwillig als Pfleger in der Typhusbaracke, wurde infiziert und starb dort am 2. März 1945. Am 24. September 2016 wurde er im Dom zu Würzburg seliggesprochen. Petr Křižek, Theologe und Chef des organisierenden Reisebüros, brachte die Lebensgeschichte und die Bedeutung von Pater Engelmar für unsere Zeit eindrucksvoll nahe.

Einem zweiten besonderen Menschen galt ein Besuch im Zwittauer Stadtmuseum: Hier zeigt eine Ausstellung das Leben und Wirken von Oskar Schindler, der 1908 in Zwittau geboren wurde und als deutschmährischer Unternehmer im Zweiten Weltkrieg gemeinsam mit seiner Frau 1.200 bei ihm angestellte jüdische Zwangsarbeiter vor der Ermordung in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten bewahrte – durch „Schindlers Liste“.

Sonniges Brünn und der Heilige Nepomuk
Die heutige Metropole Mährens, die 300.000 Einwohner-Stadt Brünn (Brno), begrüßte die Reisegruppe auf dem Rückweg Richtung Prag ebenso sonnig wie geschäftig. Die Legende über die Errettung der Stadt von der Belagerung der Schweden im Dreißigjährigen Krieg erklärte, warum die Mittagsglocken in Brünn bereits um 11 Uhr läuten.

Auf die Begegnung mit dem Heiligen Nepomuk auf der Karlsbrücke in Prag bereitete ein lohnenswerter Abstecher zur Wallfahrtskapelle des Heiligen auf dem Grünen Berg bei Saar an der Sazawa vor. Hier schuf der Architekt Johann Blasius Santini-Aichl eine Kirche auf dem Grundriss eines fünfzackigen Sterns mit hoher Symbolkraft im seltenen Stil der Barockgotik.

Smetanas Komposition „Die Moldau“ brachte Prag und seinen Fluss stimmungsvoll näher. Die goldene Stadt, die Hunderttürmige, begeisterte alle - erstmals oder erneut - trotz des touristischen Ansturms und des regnerischen Wetters. Führungen auf dem Hradschin und in der Altstadt zeigten, wie wichtig Prag als europäisches Zentrum einst war und welche Faszination noch heute von dieser Stadt an der Moldau ausgeht.

Zum Abschluss: Prost in Pilsen

Auf der Heimfahrt durfte ein Stopp in Pilsen nicht fehlen, wo vor dem Abschiedsessen eine Stadt- sowie eine Brauereiführung den Abschluss einer erlebnis- und informationsreichen Woche bildeten.

Begleitet wurde die Reise von Yvonne Waltert, seit 1. April 2016 Nachfolgerin von Klaus Buchner als Verantwortliche für die beiden Partnerschaften des Landkreises mit der tschechischen Region Olmütz und dem israelischen Landkreis Mateh Yehuda, sowie von Pressesprecherin Eva-Maria Schorno. Bereits zum dritten Mal war die Bürgerreise perfekt organisiert vom bewährten Partner, dem Reisebüro Petr Křižek aus Prag. Diesmal begleitete die Gruppe die Historikerin Radka Těšinská, die mit Herzlichkeit und großem Fachwissen die Woche zu einem unvergesslichen Erlebnis werden ließ.

 

Eine Bildergalerie mit vielen Impressionen aus der Partnerregion finden Sie in unserer Mediathek.