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01.12.2015

Im Netz wird Mobbing richtig krass

15. Forum Jugendhilfe des Kreisjugendamts zeigt Gefahren durch Neue Medien auf

Das Internet entgrenzt Zeit und Raum. Ein banaler Satz, der es allerdings in sich hat. Denn für Opfer von Mobbing bedeutet dies, dass sie nirgendwo mehr einen geschützten Raum haben - auch zu Hause nicht. Cybermobbing findet überdies rund um die Uhr statt.

„Die Opfer stehen 24 Stunden am Tag unter Stress“, bestätigte Jugendgerichtshelfer Günter Sittl vom Würzburger Kreisjugendamt beim 15. Forum Jugendhilfe im Landratsamt Würzburg, bei dem Kreisjugendamtsleiter Hermann Gabel ca. 90 Fachkräfte aus Jugendarbeit, Schule, Jugendzentren, Beratungsdiensten und sonstige Interessierte begrüßen konnte.

Zwei Fälle pro Woche
Ausmaß, Auswirkungen und Prävention von Cybermobbing waren Themen des Forums. Laut Günter Sittl nimmt die Problematik stetig zu: „Inzwischen haben wir durchschnittlich mit zwei gravierenden Fällen von Cybermobbing pro Woche zu tun.“ Da gibt es Jugendliche, die an Nacktfotos von anderen Jugendlichen kommen und diese Bilder mutwillig verbreiten. Andere diffamieren Gleichaltrige im Netz und drängen die Betroffenen auf diese Weise immer stärker in eine Außenseiterrolle hinein.

Dass sich Jugendliche gegenseitig Bilder schicken, auf denen sie nackt zu sehen sind oder gar sexuelle Handlungen vornehmen, ist laut Sittl heute alles andere als selten. Strafrechtlich gesehen kann dies trotz beiderseitigem Einverständnis kritisch sein - handelt es sich doch oft um Pornografie. „Geht die Beziehung auseinander, werden diese Bilder mitunter auch dazu benutzt, um sich an dem, der einen verlassen hat, zu rächen“, so der Jugendgerichtshelfer.

Die Opfer fühlen sich oft völlig hilflos. Einige beginnen, sich selbst zu verletzen, weil sie den Druck, der auf ihnen lastet, anders nicht mehr aushalten. Inzwischen sind auch Fälle von Jugendlichen bekannt, die sich aufgrund von Cybermobbing das Leben nahmen.

Verletzung des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“
„Cybermobbing an sich ist in Deutschland noch kein Straftatbestand“, erläuterte Peter Wohlfahrt, Jugendrichter am Amtsgericht Würzburg. Dennoch können die Täter belangt werden, greifen doch zahlreiche Strafvorschriften. Zum Beispiel werden oft Beleidigungsdelikte begangen, teilweise trifft sogar der Straftatbestand der Verleumdung zu. Nicht selten wird der „höchstpersönliche Lebensbereich“, so der juristische Fachausdruck, durch Bildaufnahmen verletzt. Diese Bilder können drastisch sein. Wohlfahrt: „Ich hätte mir das, was ich heute auf den Tisch bekomme, vor einigen Jahren nicht vorstellen können.“
Auch mit dem Delikt der Nötigung hat es der Jugendrichter im Zusammenhang mit Cybermobbing öfter zu tun. So kommt es vor, dass ein Täter von einem Mädchen, das diesem zunächst freiwillig Nacktfotos schickte, immer mehr und immer heftigere Bilder verlangt: „Er droht, dass er sonst die Bilder, die er bereits hat, ins Netz stellen würde.“ Bekommen Eltern dies mit, sollten sie sofort die Polizei einschalten, damit ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. Dies ist selbst dann möglich, wenn das Mädchen der Nötigung nicht nachkam. Wohlfahrt: „Denn selbst versuchte Nötigung kann sanktioniert werden.“

Zivilcourage im Netz notwendig
Eltern und Lehrer sollten gemeinsam Kinder befähigen, mit dem Internet gut umzugehen, appellierte Lambert Zumbrägel, Medienfachberater beim Bezirksjugendring Unterfranken. Bewährt habe sich, die „Peergroup“ in die Präventionsarbeit einzubinden: „So können ältere Schüler Jüngeren beibringen, wie sie sich im Netz verhalten sollen, um Gefahren zu entgehen und sich nicht strafbar zu machen.“ Wichtig sei außerdem, Jugendlichen Zivilcourage im Netz zu vermitteln. Laut Zumbrägel bedeutet dies zum einen, Absender etwa von pornografischen Bildern aufzufordern, diese Bilder zu löschen, und ihnen klarzumachen, dass man bereit ist, zur Polizei zu gehen. Gleichzeitig gelte es, sich mit Opfern von Cybermobbing zu solidarisieren.

Präventives Planspiel „Bloßgestellt im Netz“
Die sich anschließende Expertenrunde moderierte Kreisjugendpfleger Stephan Junghans. Jugendliche für Folgen und Dynamik von Cybermobbing zu sensibilisieren, ist Ziel des Planspiels „Bloßgestellt im Netz“, das Melanie Kuhn vom Kreisjugendamt ab dem kommenden Jahr Schulen anbieten wird. Dabei schlüpfen Schüler in die Rolle von Tätern, Opfern und Beobachtern von Cybermobbing und erleben, was es bedeutet, wenn sich Gerüchte über das Netz blitzschnell verbreiten. Durch die verschiedenen Rollen erfahren sie, auf wen Cybermobbing welche Wirkung hat. Am Ende des Planspiels sollen die Jugendlichen fähig sein, im Falle von Cybermobbing umsichtig zu handeln - nicht zuletzt dadurch, dass sie Erwachsene auf das aufmerksam machen, was da gerade im Gange ist.

Nähere Informationen zur Veranstaltung unter www-kreisjugendamt-wuerzburg.de (forum jugendhilfe). Fragen unter jugendarbeit@lra-wue.bayern.de