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28.07.2015

Landrat Nuß zur Verbunderweiterung im ÖPNV

Gestern hat der Rat der Region Mainfranken sechs Leitprojekte definiert und beschlossen. Es sind ausgewählte Forschungs- und Entwicklungsprojekte, anhand deren die Region Mainfranken im landes- und bundesweiten Wettbewerb punkten kann. Die Region von der Tauber bis in die Rhön, zwischen den beiden Metropolregionen Frankfurt und Nürnberg, ist aber nicht nur ein attraktiver Wirtschafts- und Wissenschaftsraum, die Region ist vor allem Lebensraum für rund eine Million Menschen, die hier gerne wohnen und arbeiten. Was in diesem Lebensraum dringend fehlt, ist etwas, was bei den Menschen als handfestes Merkmal einer gemeinsamen Identität ankommt. Etwas, was die Menschen in Mainfranken als verbindende Klammer empfinden.

Viele wünschen sich einen Mainfränkischen Verkehrsverbund. An dem Punkt sind uns andere Regionen weit voraus. In der Metropolregion Nürnberg zum Beispiel können Pendler und Familien über den VGN - dem Verkehrsbetrieb Großraum Nürnberg - zum attraktiven Preis ab Iphofen über Nürnberg hinaus bis in die Oberpfalz fahren. An der westlichen Landkreis-Seite, von Wittighausen, dem badischen Nachbarort von Kirchheim, kann man bis nach Kaiserslautern fahren - zum Betzenberg zum Fußball.

Wenn Sie ankommen, ist das Spiel zwar fast aus, aber das Faszinierende daran ist, dass die Bewältigung dieser Strecke mit nur einer Fahrkarte möglich ist. Ein großer Raum und ein Tarif! Welch´ ein Traum! Welch´ ein Standortvorteil!

Wie ist es ehrlicherweise bei uns? Nehmen wir beispielsweise die Studierenden an der FH Würzburg-Schweinfurt. Sie haben keinen Einfluss darauf, an welchem Standort ihr Fach gelehrt wird. Ist der Studienplatz in Schweinfurt, dann braucht ein Studierender aus einer Landkreisgemeinde unter Umständen bis zu drei Fahrkarten:

  • eine Busfahrkarte aus seiner Gemeinde zum nächsten Bahnhof,
  • eine Monatskarte der Deutschen Bahn,
  • und eine Stadtbuskarte in Schweinfurt.

Sein Kollege in Würzburg dagegen kann unser Semesterticket nutzen, und für pauschale 60,70 Euro uneingeschränkt mit Bus und Bahn kreuz und quer durch den ganzen Verbundraum fahren, so oft und so lang er will. Das ist schön, dem Anderen gegenüber aber höchst ungerecht! Das ist genauso ungerecht wie die Behandlung unserer Arbeitnehmer, die aus dem nördlichen Landkreis in die Fabriken nach Schweinfurt pendeln – mit Bus oder Bahn.

Am Beispiel meiner Heimatgemeinde Bergtheim sieht man eindrucksvoll, wie benutzerfeindlich das derzeit noch läuft. Der Bahnhof Bergtheim liegt exakt zwischen Würzburg und Schweinfurt und hat zwei Gleise. Dort stehen jeden Morgen fast zur selben Zeit die Pendler in die verschiedenen Richtungen. An Gleis 1 steht der Fahrgast nach Würzburg, mit der Monatskarte der NWM in der Tasche. Kosten: 84,55 Euro monatlich. Mit diesem Ticket kann er in Würzburg kostenfrei in Straßenbahn oder/und Stadtbus umsteigen.

An Gleis 2 wartet der Pendler auf den Zug in Richtung Schweinfurt. Er besitzt die Monatskarte der Deutschen Bahn zum Preis von 110 Euro. Um in Schweinfurt zu seinem Arbeitsplatz zu kommen, braucht er für 30,30 Euro zusätzlich ein Ticket für den Stadtbus. Das Kuriose dabei ist: Der Pendler nach Würzburg profitiert vom Verkehrsverbund NWM, der vom Landkreis Würzburg finanziell gefördert wird.

Woraus? Aus der Kreisumlage der Gemeinden, und die wiederum speist sich auch aus den Lohn- und Einkommensteueranteilen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, egal wo sie ihren Arbeitsplatz haben.

Das heißt: Indirekt subventioniert der Fahrgast nach Schweinfurt das günstige Verbundticket seines Würzburger Kollegen, ohne die Vorteile in Anspruch nehmen zu können. Diese unterschiedliche Behandlung von Landkreisbürgern ist im höchsten Maße ungerecht! Ein weiterer großer Vorteil durch einen Verbundbeitritt der Region 3 wäre - aus unserer Sicht - der Bahnhof Essleben. Er liegt in greifbarer Nähe zur Gemeinde Hausen. Gemeinde und Landkreis haben im Frühjahr 2012 vom Ortsteil Rieden aus, neben der Kreisstraße, einen Radweg zum Esslebener Bahnhof gebaut. Essleben wäre mit Fahrrad oder PKW ein idealer Park&Ride-Platz auch in Richtung Würzburg. Der Bahnhof liegt aber im Landkreis Schweinfurt und somit außerhalb unseres Verkehrsverbunds. Das heißt: Wer dort einsteigt, braucht die teuere Fahrkarte der DB. 

Das sind die Beweggründe, weswegen ich mich seit Jahren für eine Verbunderweiterung in Richtung Norden einsetze, in die Region 3, und warum ich das Thema bei jeder sich bietenden Gelegenheit anspreche. Ich habe zur damaligen Zeit etliche Gespräche mit Oberbürgermeisterin Gudrun Grießer und mit Landrat Harald Leitherer geführt.

Nach den jeweiligen Ämterwechseln habe ich im Juni 2010 mit dem neuen Oberbürgermeister Sebastian Remele und im Mai 2013 mit dem neuen Landrat Florian Töpper mehrere Gespräche geführt, mit dem Ziel, die jetzt politisch Verantwortlichen ins Boot zu holen. In beiden Kollegen habe ich mittlerweile gute Verbündete gefunden. Die Gespräche zeigen greifbare Erfolge. Auf Initiative von Landrat Florian Töpper fand am 13. Mai 2014 ein Gespräch der Landräte der Region 3 statt. Die Landräte kamen überein, dass die Region 3 schnellstmöglich dem Verkehrsverbund Mainfranken beitreten soll. 

Im Juli 2014 fassten die vier Kreistage einstimmig entsprechende Grundsatzbeschlüsse und legten auch gleich die Kappungsgrenze auf zehn Waben fest. Am morgigen Mittwoch hat Landrat Töpper die Landräte erneut eingeladen. Man wird morgen u.a. die notwendigen Fahrgastzählungen beschließen. In einem 4-Augengespräch am 10. Dezember 2014 in Schweinfurt versicherte mir Oberbürgermeister Remele noch einmal, dass auch die Stadt Schweinfurt in ihren Überlegungen schon sehr weit ist. 

Gegenwärtig finden Gespräche der Aufgabenträger mit den Verkehrsunternehmen über das geplante weitere gemeinsame Vorgehen statt. Es müssen in der zweiten Jahreshälfte 2015 v.a. die Infrastrukturkosten für die Aufgabenträger abgeklärt werden. 2016 erfolgen planmäßig die Datenlieferung durch die Verkehrsunternehmen (Schiene und Bus) und die Berechnung der HDV, der Harmonisierungs- und Durchleitungsverluste.

Wann sind wir am Ziel? Als frühestmöglichen Zeitpunkt für den Verbundbeitritt der Region 3 halten alle Beteiligten das Jahr 2018 für möglich. Ich freue mich auf den Tag, an dem wir von Tauberrettersheim bis zum Kreuzberg mit einer Fahrkarte fahren können.