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27.10.2008

Medeas rasende Eifersucht tobte im Landratsamt

Literatur in den Häusern der Stadt erstmals auch im Büro des Landrats

Politik und Mythos haben einiges gemeinsam, philosophierte Landrat Eberhard Nuß. Er war am Samstag Gastgeber einer der 17 Lesungen, die in der Reihe „Literatur in den Häusern der Stadt“ erstmals auch in einem öffentlichen Gebäude, dem Landratsamt, stattfand. Der Landrat hatte in sein „dienstliches Wohnzimmer“ eingeladen, um die Verbundenheit des Landkreises mit dem Mainfranken Theater zum Ausdruck zu bringen. Das Erkerzimmer des Landkreischefs im hundert Jahre alten Gebäude in der Zeppelinstraße bot eine stimmungsvolle Kulisse für Ovids Metamorphosen.

Es war ein ungewöhnlicher Abend für alle Beteiligten: Hinter dem Schreibtisch des Landrats saß der Schauspieler Boris Wagner, statt einer kommunalpolitischen Besprechung hörte man die Verse Ovids. Es erklangen Harfentöne, Kerzenflackern hüllte das Dienstzimmer des Landrats in mystisches Licht. Mythos war das große Thema über allen 17 Lesungen an diesem Abend. Von John Updike über Hölderlin bis zu Ovid und Casanova reichte die Auswahl der Texte. Fürs Büro des Landrats hatte Boris Wagner Ovids Tragödie der antiken Heilerin und Kindsmörderin Medea mitgebracht. Von Drachen und geflügelten Schlangen, von heldenhaften Argonauten, von Liebe, Krieg und Waffenlärm war in dramatischen Versen die Rede. Die Liste der griechischen Helden erinnerte manchen der gut zwanzig Zuhörer an lange zurückliegende Lateinstunden, und auch Boris Wagner zog Vollmers Wörterbuch der Mythologie und Christa Wolfs Erzählung über Medea zu Rate, um die Zusammenhänge zu deuten. Eifersucht, Kriegsgebaren, ungeklärte Vaterschaften, unglaubliche Verjüngungswunder durch die Zauberkräuter der Medea, Ströme von Blut, Milch und Worten füllten den Raum. Tragischer Höhepunkt die unglaubliche Tat Medeas, die in rasender Eifersucht ihre beiden Söhne tötet – so theatralisch die Worte, so ungewöhnlich modern und kraftvoll erklang die Harfe, gespielt von Andreas Mildner. Das sonst so lyrisch-romantische Instrument kommentierte die ungeheuren Taten der antiken Helden mit wuchtigem, pointiertem Spiel und schaffte eine gelungene Spannung zwischen Text und Musik.

Die Gäste des Landrats zeigten sich am Ende begeistert, nicht nur vom beeindruckenden Zusammenklang von Rezitation und Musik. Auch die Atmosphäre des Dienstzimmers und die Gastlichkeit des Hauses fanden guten Anklang. Bei einem Glas Wein und Gebäck kamen viele in anregende Gespräche mit den Künstlern und stellvertretendem Landrat Ernst Joßberger, der Landrat Nuß am späteren Abend vertrat. Einig waren sich Gastgeber, Gäste, Künstler und auch Sven Fischer, Disponent des Mainfranken Theaters: gerne wieder im nächsten Jahr.

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Landrat Eberhard Nuß (links) war erstmals Gastgeber bei „Literatur in den Häusern der Stadt“ und begrüßte gemeinsam mit stellvertretendem Landrat Ernst Joßberger (rechts) für das Mainfranken Theater den Schauspieler Boris Wagner (2.v.r.) sowie den Harfinisten Andreas Mildner in seinem Dienstzimmer.