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04.03.2016

Vortrag von Jan-Uwe Rogge zur Familienbildung

Hänschen klein statt Gehirnforschung
250 Zuhörer kamen zu Jan-Uwe Rogge ins Gymnasium Veitshöchheim

Wer einen Vortrag erwartet hatte, gar mit Power-Präsentation, gespickt mit Diagrammen, Skalen, Zahlen, Fakten – der wurde auf überraschende Weise enttäuscht. Jan-Uwe Rogge, der auf Einladung der Fachstelle Familienbildung des Kreisjugendamts das Gymnasium Veitshöchheim besuchte, kommt ohne all das aus. Er erzählt einfach aus dem prallen Erziehungsalltag. Seine Botschaft könnte simpler nicht sein: Kinder brauchen Halt. Und sie müssen losgelassen werden.

250 Interessierte, die meisten selbst Eltern, einige inzwischen auch schon Großeltern, lauschten dem Bestsellerautor, der in nahezu kabarettistischer Weise auf sein Buch „Warum Raben die besseren Eltern sind“ aufmerksam machte. Es gab eine Menge zu schmunzeln, zu lachen, wobei die Beispiele aus der Praxis, mit denen Rogge aufwartete, mitunter geradezu tragisch-komisch waren.

Wie oft sich Eltern heute einen abbrechen, weil sie unbedingt „perfekt“ sein wollen! Doch perfekt, machte Rogge klar, ohne dieses Wort auch nur ein einziges Mal zu benutzen, gibt’s nicht und geht nicht. Alle Eltern machen Fehler. Aber auf die kommt es gar nicht an. Worauf es ankommt? Das sorgte gleich zu Beginn für Verblüffung: Es kommt zuerst darauf an, dass sich die Eltern selbst lieben. Dass sie sich annehmen gerade auch mit dem, was sie nicht (perfekt) können. Nur so ist es ihnen möglich, auch ihre Kinder zu lieben.

Wobei es Situationen gibt, da droht die Liebe abzukühlen. Man denke an die stressige Zeit des Trotzalters. Oder die mitunter noch stressigere Zeit der Pubertät. Aber so will es die Natur: Kinder wollen sich abgrenzen. Kinder wollen losgelassen werden. Vielen Eltern fällt dies heute immens schwer.

Dieser Tage ist es schick geworden, bei Veranstaltungen zum Thema „Erziehung“ die Gehirnforschung zu bemühen. Was geschieht im sensiblen kindlichen Gehirn bei zu viel oder zu wenig Strafe? Wann, wie und wo verankern sich schlimme frühkindliche Erfahrungen? Auch diesen Rückgriff hat Jan-Uwe Rogge nicht nötig. Er setzt auf alte Weisheiten, die ganz unaufdringlich daherkommen. Was zum Beispiel steckt nicht alles im Lied „Hänschen klein“! Hänschen wollte, wie wir wissen, gehen. Den zog es hinaus in die weite Welt. Der wollte weder gefahren werden. Noch forderte er Begleitung: „Aber Mutter weinet sehr...“. Man sehe: Ein altes Phänomen!

„Das ist ein Tipp!“, bemerkte Rogge hier und da – denn fast wäre das an den hingerissenen Zuhörerinnen und Zuhörern vorbeigegangen. Tipps sind sie anders gewohnt. Tipps kommen normalerweise wuchtig daher. Unterfüttert mit komplizierten Diagrammen, verpackt in pädagogischem Fachjargon. Nicht so bei Rogge. Dem genügen Kinderlieder und biblische Weisheitsschätze, etwa die Geschichte vom verlorenen Sohn. Hin und wieder gibt es auch einen Rückgriff auf die indische Philosophie.

Auf das titelgebende Bild des „Raben“ bezieht sich Rogge erstaunlich wenig. Auch der kommt vor. Aber irgendwie ist das „Hänschen“ doch griffiger. Darüber hinaus hat Rogge eine Menge Beispiele aus dem turbulenten Erziehungsalltag im Gepäck. Manchmal muss man schlucken. Manche Geschichten kommen drastisch, einige regelrecht derb daher. Aber wer hat denn auch behauptet, dass Erziehung ein romantisches Geschäft ist?

Am Ende gab es riesigen Applaus, einen Ansturm auf die Bücher und zahlreiche Selfies. Das, fand das Publikum, ist das Spezielle an Rogge. Er ist kein abgehobener „Erziehungspapst“. Sondern ein Mensch zum Anfassen. Der weiß, wovon er redet. Und der dem Publikum immer wieder direkt aus dem Herzen spricht.