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17.08.2017

Wie geht es weiter mit unbegleiteten minderjährigen und volljährigen Ausländern ohne gute Bleibeperspektive?

Der Landkreis Würzburg ist über sein Kreisjugendamt derzeit für 64 minderjährige unbegleitete und junge volljährige Ausländer verantwortlich. Vor zwei Jahren waren es um diese Zeit 149 Fälle. Die Zahl hat sich demnach mehr als halbiert. Das Platzangebot wurde um 46 Plätze reduziert.

Grund dafür sind mehrere Faktoren: Viele ehemalige unbegleitete minderjährige Ausländer (kurz UMA) wurden volljährig und scheiden - meist nach einer kurzen Übergangszeit - aus der Jugendhilfe aus. Seit Beginn des Jahres 2017 wurden in diesem Betreuungssegment 44 Hilfen beendet (Stand: 16.08.2017).

Der Freistaat Bayern wurde zudem von November 2015 bis Mai 2017 von der bundesweiten Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern ausgenommen, da die bayerische Verteilquote für diesen Personenkreis mehr als erfüllt war. Seit Juni 2017 ist der Freistaat Bayern wieder in die bundesweite Verteilquote von unbegleiteten minderjährigen Ausländern nach dem Königsberger Schlüssel einbezogen.

Nach derzeitigem Quotenstand muss das Kreisjugendamt Würzburg noch 50 unbegleitete minderjährige Ausländer aufnehmen.

Herkunftsländer der UMAs ändern sich

Die Herkunft der durch ein bundesweites Verteilsystem jetzt neu hinzukommenden minderjährigen unbegleiteten und jungen volljährigen Ausländer hat sich verändert. Weniger Personen sind syrischer oder irakischer Herkunft. Die meisten neu hinzukommenden Personen haben west- und ostafrikanische Nationalitäten. Zudem bestehen oft ein geringerer Bildungsstatus sowie insbesondere eine hohe Diskrepanz zur europäischen Mentalität.

Fünf-Säulen-Modell der Betreuung

Das Kreisjugendamt hat ein fünfsäuliges Betreuungskonzept entwickelt, das sich an den landesweiten Empfehlungen und Standards orientiert (siehe Anlage). Dieses Konzept hat sich als fachlich gut, praktikabel im Vollzug und als klar strukturiert nachvollziehbar erwiesen.

Von den derzeit 64 minderjährigen unbegleiteten und jungen volljährigen Ausländern, für die das Kreisjugendamt verantwortlich ist, werden sieben Personen für andere bayerische Jugendämter in Amtshilfe betreut - diesbezüglich hauptsächlich junge Volljährige. Von den 64 betreuten Personen sind 60 männlich und vier weiblich.
36 Personen sind minderjährig, 28 Personen mittlerweile volljährig. 44 Personen werden im stationären Rahmen (d. h. Heim, Wohngruppe, Pflegefamilie) und 20 ambulant (Selbstständiges Wohnen, dezentrale- oder Gemeinschaftsunterkunft, eigene Wohnung) durch Fachpersonal in freier Trägerschaft im Auftrag des Kreisjugendamtes betreut.

Weibliche UMAs brauchen besondere Betreuung

Um diesem Bedarf gerecht zu werden, hat vor kurzem neben dem Liobaheim eine weitere Einrichtung für weibliche unbegleitete minderjährige Ausländerinnen in Form einer Wohngruppe mit sechs Betreuungsplätzen in Trägerschaft der Kolping Mainfranken GmbH eröffnet. Die Besonderheit hierbei ist, dass auch schwangere unbegleitete minderjährige Ausländerinnen mit bzw. und bis zu drei Kinder aufgenommen werden können.

Des Weiteren eröffnet zum 1. September 2017 - ebenfalls in Trägerschaft der Kolping Mainfranken GmbH - in Würzburg eine Wohngruppe mit 20 Plätzen zur Verselbständigung im Rahmen der Jugendsozialarbeit (Arbeit/ Ausbildung/ Beschäftigung und sozialpädagogisch begleitetes Wohnen).

Afghanische Flüchtlinge haben schlechte Bleibeperspektiven

In den letzten Monaten haben viele unbegleitete minderjährige und junge volljährige Ausländer negative Entscheidungen über ihre Asylanträge erhalten. In erheblicher Zahl betrifft dies Personen mit afghanischer Nationalität. Von den 64 über das Kreisjugendamt Würzburg betreuten Personen sind 36 Personen aus Afghanistan - also knapp über die Hälfte.

Für diese Personengruppe ist dann nicht mehr das örtliche Ausländeramt bei den Landratsämtern und den kreisfreien Städten, sondern sind die Zentralen Ausländerbehörden (ZAB), die in Bayern an den sieben Bezirksregierungen geschaffen worden sind, fortan verantwortlich für die ausländer- und aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten, aber auch für die Genehmigung von Beschäftigungsmaßnahmen.

Landrat fordert sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten

Für die pädagogische Betreuung im Alltag allerdings sind meist weiter die Lehrerinnen und Lehrer in den Übergangsklassen der Mittelschulen, Berufsschulen, die Ausbildungsbeauftragten in den Betrieben und bei den Kammern, die Fachkräfte in den Jugendämtern und Heimen sowie in der Freizeit die Einrichtungen der Jugendarbeit diejenigen, die Frust, Enttäuschung und Motivationslosigkeit auffangen.

Landrat Eberhard Nuß und Fachbereichsleiter Hermann Gabel im Kreisjugendamt stellen sich für diesen Personenkreis ganz pragmatische Kurzmodule von max. 3 Monaten Dauer vor, die in der Verantwortung der Bundesagentur für Arbeit bzw. der Jobcenter angeboten werden könnten, um den jungen Menschen für die begrenzte Zeit ihres Aufenthalts noch ganz praktische Fähigkeiten zu vermitteln, die von Nutzen im Heimatland sein könnten:

„Einen Schweißkurs, einen Elektrogrundkurs, Bauen, Mauern oder Metallbearbeitung“ stellt sich der Landrat als entwicklungspolitischen Akzent vor. „Die jungen Leute hätten eine sinnvolle Beschäftigung und wären dadurch weit weniger anfällig für Radikalisierung und Gewalt“, meint der Landrat.

„Wenn sie in ihre Heimatländer zurückkehren, hätten sie zumindest ein Qualifizierungszertifikat vorzuweisen. Für den Aufbau ihres Landes wären sie wertvolle Fachkräfte und würden Deutschland in guter Erinnerung behalten“, so Landrat Nuß. „Auf diese Weise könnten wir wertvolle Entwicklungshilfe leisten, die direkt bei den Menschen ankommt.“