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10.07.2017

Eine Marke feiert Jubiläum: 20. Fachtagung "Ziele, Wege, Stolpersteine"

Schon die Zahlen sprechen vom Erfolg: Rund 9.000 Teilnehmer aus ganz Unterfranken kamen in den vergangenen 20 Jahren zur Fachtagung „Ziele, Wege, Stolpersteine“ in die Mainfrankensäle nach Veitshöchheim, berichtet Organisatorin Ursula Bördlein vom Amt für Jugend und Familie des Landkreises Würzburg. Fürs Jubiläumsthema „Du bist es mit wert - Werterziehung in Kindertageseinrichtungen“ interessierten sich rund 600 Fachleute in der Kinderbetreuung, ergänzt ihr Kollege Paul Justice vom Gesundheitsamt Würzburg.

Themengeber und Veranstalter für die jährliche Weiterbildung für Erzieher, Pädagogen und Sozialarbeiter ist der Arbeitskreis „Kind und Gesundheit“. Dieser umfasst verschiedenste Institutionen, Organisationen, Kliniken und Behörden, von der Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Kinderärzte über die Frühförderungsstelle und Frühdiagnosezentrum bis hin zur Kindertagesbetreuung in Stadt und Landkreis Würzburg oder staatlichem Schulamt.

Im 20. Jahr nahmen erstmals rund 100 Schüler und Studierende unterschiedlicher Berufszweige an der Tagung teil. Neben Studenten der Sozialen Arbeit an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt mischten sich Schüler der Philipp-Melanchthon-Schule wie der Haßfurter Fachschule für Erziehung unter ihre künftigen Kollegen aus unterfränkischen Einrichtungen.

 

  

Jede Gesellschaft braucht eine Wertebasis

Das große Interesse kam nicht von ungefähr. „Werte sind eine grundlegende Voraussetzung für eine Gesellschaft“, führte die stellvertretende Landrätin Christine Haupt-Kreutzer zu Beginn der Veranstaltung ins Thema ein. In den Kindertageseinrichtungen brauche es deshalb einen bewussten Umgang mit Werten und der Wertförderung. „Dazu gehört, dass sich Erzieherinnen und Erzieher mit ihren eigenen Wertvorstellungen auseinandersetzen.“

Gerechter Handel als Wert im Landkreis Würzburg

Dass dies auch der Landkreis mit seinem umfassenden Bekenntnis zum fairen Handel - mit gerechtem Lohn, entsprechenden Arbeitsbedingungen und ohne Kinderarbeit - tut, erwähnte die Landrätin dabei nicht ohne Stolz. Während der Begleitausstellung im Foyer der Halle informierten zudem zwei Mitarbeiter des Weltladens - Bildungsreferent Thomas Mitschke sowie Eine-Welt-Regionalpromoterin Shiloe Mokay - ausführlich über Angebote und Programme zum globalen Lernen in Kitas.

Sich mit den eignen Werten und mit der Werteentwicklung und Werteerziehung auseinanderzusetzen, dazu gaben die vier Fachvorträge in den folgenden Stunden ausreichend Gelegenheit, wie gewohnt moderiert vom renommierten Würzburger Kinderarzt Prof. Dr. Hans-Michael Straßburg.

Bitte keine Rasterfahndung nach Schwächen!

Wie stark das eigene Wohlbefinden sich schon bei kleinen Kindern auf das moralische Handeln auswirkt, machte der Kinderarzt und Wissenschaftler Dr. Herbert Renz-Polster deutlich. „Wenn es mir mit mir selbst nicht gut geht, bin ich auch nicht gut mit anderen.“ Eine Tatsache, die sich problemlos auf ganze Gesellschaften übertragen lasse. Als praktischen Tipp gab er den Zuhörern mit, bei allem Hochhalten von Werten die Kosten für die Werte nicht zu hoch zu machen. Strafen, wenn einer die Wahrheit sagt und einen Fehler zugibt seien ebenso wenig sinnvoll wie Fehlverhalten bei Klein- und Kindergartenkindern als moralische Kernschmelze zu betrachten. Häufig wachse sich entwicklungsbedingtes vorübergehendes Fehlverhalten einfach aus, sehe man liebevoll darüber hinweg. Man müsse sich stets gewahr sein: „Wer als böse behandelt wird, obwohl er es nicht böse meint, wird böse.“

Unter Beifall forderte er die Pädagogen auf, Kinder nicht immer daran messen, was sie noch nicht oder nicht gut können und keine Rasterfahndung nach Schwächen zu betreiben. Wie alle Menschen wollten auch Kinder mit Menschen leben, die sie annehmen wie sie sind. Statt in der Erziehung Ziele anzustreben, komme es darauf an, dass Kinder strahlende Augen hätten und sich wohlfühlen. Nur wer sich selbst als wertvoll erlebe, sei auch voller Werte.

Gemeinsam philosophieren über Mut

Dass schon mit sehr jungen Kindern die Auseinandersetzung und intensive Beschäftigung mit einzelnen Werten möglich ist, zeigten Schulleiterin Sibylle Emmerling (Rottendorf) und Rektorin Beate Weigand (Güntersleben) in ihrer praxisnahen „Einführung in das Philosophieren mit Kindern“. Freiwillige Teilnehmer der Beispielrunde auf der Bühne gaben anhand des Themas „Was ist Mut“ ein anschauliches Beispiel dazu.

Märchen transportieren Werte

Wie gut sich erzählte und nachgespielte Märchen eignen, Werte kindgerecht zu transportieren, ohne Kinder zu überfordern, machte am Nachmittag die Erzählkünstlerin Karola Graf deutlich. Über die Identifikation mit dem Helden lernen die Kleinen am Beispiel moralisches Handeln, gerade weil - anders als in der Realität - böse und gut nicht unüberschaubar vermischt sind, sondern klar erkennbar.

Sinngebung wichtiger als Leistung

Mit einem kurzen Blick ins Gehirn und dessen Entwicklung plädierte Dr. phil. Waltraud Lorenz, Dozentin an der Fachakademie für Sozialpädagogik Regensburg, am Ende für Zeit-Lassen, Nachsicht, Feingefühl und Ermutigung in der Erziehung anstelle straffer Programme zur frühkindlichen Bildung. Wichtiger als Fertigkeiten zu schulen sei es, Kindern einen Sinn mitzugeben, ihnen zu zeigen, das ihr Leben wertvoll und nicht wertlos sei.