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24.03.2020

Corona - eine Verwaltung im Ausnahmezustand

Corona – das heißt für die allermeisten von uns Einschnitte, sei es beruflich, sozial oder gesundheitlich. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitsamt bedeutet Corona seit Ende Februar: Dienst an sieben Tagen in der Woche, von morgens um halbsieben bis abends um halbneun - an guten Tagen. Und die werden zunehmend rar.

Ritt auf der Belastungsgrenze

Denn dem Corona-Virus ist es egal, ob eine junge Ärztin mit zwei kleinen Kindern ihren Arztkittel eigentlich nur an drei Vormittagen überstreift oder ein Sachbearbeiter mit Fernbeziehung die Wochenenden für die Fahrt zur Partnerin braucht. Jede Kraft im Krisenstab und im Gesundheitsamt von Stadt und Landkreis Würzburg ist seit gut drei Wochen montags bis sonntags ausschließlich für Corona im Einsatz. Privatleben? Fehlanzeige. Einzig die positiven Rückmeldungen von Risikopatienten und Kontaktpersonen entschädigen für den Ritt auf der Belastungsgrenze. Wutschäumende oder uneinsichtige Gesprächspartner sind ganz selten, zum Glück.

Weil wir diesen Kampf aber nur mit Rücksicht, Respekt und Offenheit gewinnen können, sollen in loser Folge die Menschen hinter den Durchwahlnummern im Gesundheitsamt, am Bürgertelefon oder im Katastrophenschutz-Team vorgestellt werden. Damit wir alle verstehen, was diese Menschen gerade leisten, warum ihre Arbeit essenziell ist und auch, warum manches schlicht nicht schneller geht.

Teil 1: So arbeiten die Ermittler*innen von Kontaktpersonen

"Um uns herum brennt´s lichterloh"

Joachim Lazarek ist Erziehungswissenschaftler und arbeitet eigentlich im Sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamtes. Gemeinsam mit rund 20 weiteren Kolleginnen und Kollegen ermittelt er seit gut drei Wochen die Kontaktpersonen all jener, die sich in einem Risikogebiet aufgehalten haben oder bei denen eine bereits bestätigte Covid-19-Infektion vorliegt. „Wir rufen beispielsweise positiv getestete Personen an, besprechen mit ihnen, wo sie waren und mit wem sie eng Kontakt hatten“, erklärt Joachim Lazarek. Durchschnittlich 20 Minuten dauert ein solches Telefonat, auch, weil am anderen Ende der Leitung zum Teil Angst, Unsicherheit, aber auch Unglaube vorherrschen und die Menschen damit nicht alleine gelassen werden sollen.

Zwischen 5 und 50 Namen werden dem Ermittler-Team pro Telefonat genannt. Ein Teil davon wird als „Kontaktperson der Kategorie I“ eingestuft. Laut Definition des Robert Koch Instituts sind dies Personen mit engem Kontakt zu bestätigten Fällen (z.B. aus demselben Haushalt oder medizinisches Personal). Kategorie I, weil sie durch diesen engen Kontakt ein „höheres Infektionsrisiko“ tragen. Diese Kontaktpersonen werden telefonisch darüber informiert, dass aus Gründen des Allgemeinwohls eine 14-tägige häusliche Quarantäne angeordnet wird.

Dankbar für die Klarheit

Die meisten Angerufenen seien verständnisvoll und auch dankbar für die Klarheit. Sie würden schon ahnen, was los sei, heißt es unisono aus dem Gesundheitsamt. Nach dem Telefonat folgt eine Mail, die schriftlich festhält, was Quarantäne im Einzelnen bedeutet: Während der Quarantäne ist es den Kontaktpersonen ausdrücklich untersagt, die Wohnung ohne Zustimmung des Gesundheitsamtes zu verlassen oder Besuch von Personen zu empfangen, die nicht dem eigenen Haushalt angehören. Das mag sich drastisch anhören, aber der Blick nach Italien zeigt: Nur so lässt sich die Verbreitung zumindest verlangsamen.

„Bei uns herrscht eine ganz seltsame Atmosphäre – kein Wunder, bei 14 Stunden Dienst am Tag“, gibt Joachim Lazarek zu und weiter: „Ein bisschen fühlt es sich an, als wären wir im Gesundheitsamt auf einem Schiff und um uns herum brennt´s lichterloh.“ Auch seine Kollegin, die Sozialpädagogin Karin Drechsel, spürt zunehmend Erschöpfung und Ernüchterung: „Wir machen immer weiter, weil unsere Arbeit sinnvoll und wichtig ist, um ein weiteres Streuen zu verhindern. Wenn ich dann aber auf dem Heimweg die Menschengruppen sehe, die am Main fröhlich zusammensitzen, dann kann ich das nicht mehr nachvollziehen.“  
                   

Tagebuch als Schutzmaßnahme

In der Mail des Gesundheitsamtes werden die Kontaktpersonen der Kategorie I außerdem gebeten, ein Tagebuch zu führen. Dies dient der Nachverfolgung möglicher weiterer Infektionsketten. Einzutragen ist darin, ob Kontakt zu weiteren Personen bestand (zum Beispiel, weil der Paketbote an der Haustüre geklingelt hat), ob entsprechender Schutz verwendet wurde (zum Beispiel beim Arztbesuch) und ob die Kontaktperson Symptome wie Fieber, Husten oder Halsschmerzen an sich beobachtet.

Ralph Woith, eigentlich Hygienekontrolleur im Gesundheitsamt, erklärt das Warum: „Leider haben wir nicht die Kapazitäten, uns täglich nach dem Gesundheitszustand zu erkundigen. Da müssen wir die Kontaktpersonen selbst in die Pflicht nehmen. Aber natürlich lassen wir sie nicht allein. Wer an sich Symptome erkennt, ruft eine eigens für Kontaktpersonen reservierte Leitung an.“ Dort meldet sich dann ein Arzt oder eine Ärztin im Gesundheitsamt und klärt, ob eine Testung angeordnet werden muss. Denn auch hier sind die Kapazitäten stark begrenzt. Daher gilt aktuell: Getestet wird nur, wer Symptome zeigt.

Bei Nichtanruf: negativ

Und wie geht´s dann weiter? Stephanie Scheckenbach, Sozialpädagogin im Bereich Prävention, erklärt: „Die Testung findet an der Uni-Klinik in Würzburg statt. Details zur Anfahrt und zum Ablauf der Testung liegen den Kontaktpersonen da natürlich längst vor. Und dann heißt es leider: warten.“ Ist das Ergebnis positiv, rufen die Ärztinnen und Ärzte des Gesundheitsamtes an und besprechen die Details zur Isolation. Ist es negativ, meldet sich die Kassenärztliche Vereinigung Bayern. Doch auch da laufen die Telefone heiß. Als Faustregel gilt daher: Wer nach fünf Tagen keinen Anruf erhalten hat, kann davon ausgehen, dass das Testergebnis negativ ist. Die Quarantäne bleibt allerdings weiterhin bestehen und wird erst durch das Gesundheitsamt aufgehoben. „Da können wir nur um Verständnis werben.“         

Sie möchten Ihren Beitrag leisten? Dann sehen Sie bitte von Anrufen beim Gesundheitsamt ab. Das Bürgertelefon unter 0931 8003 - 5100 ist für all Ihre Fragen da. Und sollten Sie einen der Corona-Kämpfer*innen im Gesundheitsamt persönlich kennen oder am Telefon haben: Ein nettes Wort kostet nichts, ist aber tatsächlich unbezahlbar in diesen schwierigen Zeiten.

Danke!