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18.08.2021

Das Medizinische Versorgungszentrum als mögliche Zukunft der hausärztlichen Versorgung

Landkreis Würzburg sucht Lückenschluss bei Landärzten

Eine lückenlose und ausreichende hausärztliche Versorgung stellt für viele Kommunen eine große Herausforderung dar. Laut den aktuellen Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) zur Versorgungslage steht der Landkreis Würzburg dabei gut da: Die drei Planungsbereiche Würzburg West, Würzburg Ost sowie Ochsenfurt gelten per Definition der Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses aktuell als regel- oder gar überversorgt.
Bricht man die regionalen Zahlen auf die Anwesenheit von Ärztinnen und Ärzten in den einzelnen Gemeinden herunter, lassen sich aber schnell regionale Ungleichverteilungen erkennen.

Die Analyse der KVB zeigt die Situation wie folgt: Der Bereich Würzburg West von Leinach bis Neubrunn und Geroldshausen wird mit rund 97 Prozent als regelversorgt kategorisiert. 40 Ärztinnen und Ärzte praktizieren in diesem Abschnitt, wobei noch 5,5 Sitze an weitere Mediziner vergeben werden könnten. Der Bereich Würzburg Ost erstreckt sich von Hausen bis Thüngersheim und Theilheim im Süden und liegt mit 49 Ärztinnen und Ärzten bei gut 111 Prozent, also einer statistischen Überversorgung. Ähnlich stellt sich die Situation im Planungsbereich Ochsenfurt (von Eibelstadt bis zum südlichen Ende des Landkreises) dar: Mit 26 Hausärzten und Hausärztinnen liegt der Versorgungsgrad sogar bei mehr als 114 Prozent.

Bedarfsplan der KVB ist blind für regionale Ungleichverteilung

Doch die Bedarfsplanung der KVB bietet nur eine Momentaufnahme der Versorgung und bildet nur bedingt die Entwicklung auf Ebene der Kommunen ab, wie auch die Geschäftsführerin der Gesundheitsregion plus Würzburg Verena Walter weiß. In der Stadt Aub etwa ist die Negativentwicklung bereits angekommen: Vor einigen Jahren bereits ging einer der beiden Hausärzte in den Ruhestand. Erst im Juni hatte nun auch der letzte verbleibende Allgemeinmediziner angekündigt, seine Praxis zum 31. März 2022 schließen zu wollen. Trotzdem gilt der Planungsbereich Ochsenfurt noch immer als überversorgt.

Und Aub ist bei weitem nicht die einzige Kommune, in der sich eine Versorgungslücke ankündigt: 44 der 115 Hausärzte und -ärztinnen im Landkreis Würzburg sind inzwischen älter als 60 Jahre. „Angesichts der Altersstruktur ist es sinnig, das Thema schon jetzt proaktiv anzugehen und im Austausch zu stehen“, so Verena Walter. Zwar gebe es bereits die Landarztquote und besondere Famulatur-Programme zur Nachwuchsgewinnung, doch die Sorge, wie es weitergehen kann, treibt Bürgermeister, Stadtrat und auch die Kreispolitik um.

2035 droht vier von zehn Landkreisen massive Unterversorgung

„Wir beobachten die Situation der Hausärzte im Landkreis schon seit Jahren. Es ist höchste Zeit zu handeln“, sagt Landrat Thomas Eberth. Eine lückenlose hausärztliche Versorgung in der Fläche sei nur dann auch in Zukunft gesichert, wenn Kommunen und Landkreis einen drohenden Mangel Hand in Hand angehen.

Wie ernst die Lage bereits ist, verdeutlicht eine im Mai 2021 veröffentlichte Studie der Robert Bosch Stiftung: Demnach steigt aufgrund der allgemeinen Altersstruktur die Zahl der Menschen mit chronischen und Mehrfacherkrankungen, was den Druck auf das Gesundheitssystem steigen lässt. Gleichzeitig gehen in den nächsten zehn Jahren die geburtenstarken Jahrgänge zwischen 1955 und 1965 in den Ruhestand.

Jungärzte würden dem selbstständigen Praxisbetrieb überdies immer häufiger ein Angestelltenverhältnis vorziehen, heißt es weiter. „Die derzeitigen Betreiber der Praxen sind Ärzte, Arbeitgeber, Manager, Betriebswirte und Mädchen für alles“, erläutert Landrat Thomas Eberth. „Ob das zukünftig noch so funktioniert, ist fraglich.“ Ganz abgesehen davon, komme schlicht zu wenig Nachwuchs nach.

Die Folge: Laut Studie werden im Jahr 2035 vier von zehn Landkreisen von einer massiven Unterversorgung bedroht sein. Rund 11.000 Hausärzte sollen fehlen. Besonders problematisch wäre ein möglicher Domino-Effekt: Hört ein Hausarzt auf, müssen die umliegenden Praxen die Patienten weiter versorgen. Die drohende Überlastung der Medizinerinnen und Mediziner begünstig weitere Praxisschließungen.

Kommunalunternehmen des Landkreises Würzburg (KU) bietet Lösung mit Medizinischen Versorgungszentren (MVZ)

Ein Weg, dem künftigen Mangel entgegenzuwirken, ist laut den Verfassern der Studie der Aufbau von Medizinischen Versorgungszentren oder sogenannten Gesundheitszentren. Als Angestellte müssten Ärzte dort nicht erst in Vorleistung zum Einrichten einer Praxis gehen und würden bei Verwaltungstätigkeiten entlastet. Genau diesen Weg hat auch der Landkreis Würzburg bereits eingeschlagen. Ganz konkret hilft der Landkreis Würzburg über das KU derzeit, für Praxen in Aub und Waldbrunn Medizinerinnen und Mediziner zu finden. Das KU würde dabei als Betreiber und Arbeitgeber in einem kommunalen MVZ fungieren. „Das Management und die Verwaltung der Praxis liegen damit nicht mehr beim Arzt, sondern bei uns. Der Arzt kann sich so voll und ganz auf seine Patienten konzentrieren“, so Landrat Thomas Eberth.

KU-Vorstand Prof. Dr. Alexander Schraml ergänzt, dass man dabei auch mehr Möglichkeiten für Teilzeitstellen schaffen werde, sollten sich Mediziner und Medizinerinnen dafür interessieren – nicht zuletzt, um auch Ärztinnen und Ärzte mit Kindern eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf anzubieten. „Wir möchten damit jungen Ärztinnen und Ärzten den Weg in eine Hausarztpraxis erleichtern. Die Entscheidung, ob sich jemand selbstständig machen will oder nicht, soll niemanden daran hindern, als Hausarzt in einer Praxis auf dem Land zu arbeiten“, so Schraml.

„Wir alle wollen, dass es auch noch in zehn, zwanzig und dreißig Jahren den Hausarzt oder die Hausärztin unseres Vertrauens direkt am Ort gibt“, betont Landrat Eberth. Genau dafür setze er sich gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung und des Kommunalunternehmens ein. Die ersten Schritte in diese Richtung seien getan, jetzt hoffe man auf eine Nachfrage durch die Medizinerinnen und Mediziner.