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13.07.2021

Das ehemalige Weinhändlerdorf Zell zeigt seine Schätze - Landrat Thomas Eberth setzt seine Tour durch die Gemeinden fort

Coronabedingt pausierte die Tour durch den Landkreis Würzburg, jetzt hat Landrat Thomas Eberth seine Besuchsreihe in den 52 Gemeinden, Märkten und Städten fortgesetzt. In Zell erwarteten den Landrat fast vergessene und wieder zum Leben erweckte Zeitzeugen einer wechselhaften Ortsgeschichte des ehemaligen Weinhändlerdorfes.

Nachdem Eberth die Innentwicklung zu einem zentralen Thema seiner ersten Amtszeit gemacht hat, standen die historische Bausubstanz und ihre zeitgemäße Nutzung im Fokus des Besuchs. Am Rathausbrunnen empfingen Erster Bürgermeister Joachim Kipke, Zweiter Bürgermeister Sebastian Rüthlein und Dritte Bürgermeisterin Silvia Schlagmüller die Delegation aus dem Landratsamt. Die wasserreiche Gemeinde mit ihren zwölf Brunnen ist sich ihrer Bedeutung für die Wasserversorgung in der Region bewusst. Bis zu 50 Prozent des Trinkwasserbedarfs von Stadt und Landkreis Würzburg werden durch die Quellen in den Zeller Berghängen gedeckt.

„Wir wollen zeigen, was uns stolz macht, was uns bewegt und was wir noch bewegen wollen“, startete Bürgermeister Joachim Kipke den Rundgang durch Zells Baugeschichte. Die erste Station führte Landrat Thomas Eberth, Stabsstellenchef Bernhard Wallrapp, Kreisentwicklungschef Michael Dröse und Kreisbaumeister Christoph Schmelz in die historische Laubhütte. 2007 von der Marktgemeinde erworben, gibt sie nach der Sanierung und Rekonstruktion der spektakulären Dachöffnung heute einen Einblick in das jüdische Leben in Unterfranken. In der Hütte feierte die in Zell lebende Familie Rosenbaum nach jüdischer Tradition das Laubhüttenfest. Archivpflegerin Annette Taigel, auf die das Ausstellungskonzept für den Informationspunkt „Rosenbaumsche Laubhütte“ zurückgeht, erläuterte den anspruchsvollen Mechanismus zum Aufklappen der Dachhälften, der in dieser Form deutschlandweit nur aus Zell bekannt ist.

Fragmente aus der Echterzeit bewahrt

Auch im Kapitelhaus des ehemaligen Klosters Unterzell hat ein Investor mit der Gemeinde wertvolle Baukultur für die Nachwelt erhalten. Als Lagerraum fristete der Kapitelsaal mit Stuck aus der Echterzeit über 200 Jahre lang ein unentdecktes Dasein. „Ein Wunder, dass der Stuck aus dem 17. Jahrhundert die Zeit überdauert hat“, ist sich Bürgermeister Kipke der glücklichen Fügung bewusst. Auch das prunkvolle Eingangsportal zum Kapitelsaal blieb erhalten und wurde im Auftrag der Gemeinde saniert. Für den ehemaligen Konventhof, den heutigen Klosterhof, fand sich ein privater Bauherr, der in den historischen Mauern moderne Wohnungen schuf. „Dieses Objekt zeigt, wie mit Mut, Kreativität, Ideenreichtum, Zusammenarbeit und natürlich entsprechend Geld eine Nutzung von alter Bausubstanz funktioniert und somit neues Leben in alte Gemäuer kommt – genau deswegen ist uns die Innenentwicklung so wichtig“, betonen Landrat Thomas Eberth und Kreisbaumeister Christoph Schmelz.

Nicht überall gelingt, was im ehemaligen Kloster geglückt ist. In der Hauptstraße zeigt Kipke auch die Objekte, die der Gemeinde Sorgen bereiten. Gemeinderat Dr. Christian Naser treibt insbesondere der Erhalt der Weinhändlerhäuser um. In ihnen lebten und arbeiteten die wohlhabenden Weinhändlerfamilien. 17 solcher Weinhändlerhäuser sind in Zell erhalten. „Heute der größte Bestand in ganz Süddeutschland und als Zeitzeugen der Bedeutung Zells als Weinhandelszentrum im 18. Jahrhundert unbedingt erhaltenswert“, berichtet Naser.

Das „vergessene Schloss“

Das eindrucksvollste Beispiel Zeller Weinarchitektur ist das 1744 fertiggestellte Weinhändlerpalais, errichtet vom damaligen Stararchitekten Balthasar Neumann. Gemeinderat Naser nennt es das „vergessene Schloss“, denn das der Erbauer der Würzburger Residenz seine Genialität auch in Zell unter Beweis gestellt hat, wissen heute nur noch Ortskundige. Die einstige Pracht erschließt sich nur noch auf den zweiten Blick. Dennoch schwärmt Naser von dem Gebäude, das in seiner Blütezeit Weinmanufaktur, Handel und Wohnen unter einem Dach vereinte – damals ein Novum. Besonders beeindruckt zeigten sich Landrat Thomas Eberth und Kreisbaumeister Christoph Schmelz von der zweigeschossigen Kelleranlage des ehemaligen Weinhändlerpalais. Acht verschiedene Gewölbekonstruktionen sorgen dafür, dass sich die auf schwere Lasten ausgelegten Decken frei tragen. Naser ist überzeugt, dass Balthasar Neumann den Keller als Versuchslaboratorium für den Gewölbebau der Würzburger Residenz nutzte. Überhaupt sei das Zeller Schloss eine „Residenz in Taschenbuchversion“. Öffentlich zugänglich sind Schloss und Gewölbekeller nicht, da sich das Gebäude in Privatbesitz befindet und heute Wohnungen beherbergt.

Innenentwicklung und Erhalt ortsprägender Baukultur

Am Beispiel der Weinhändlerhäuser tauschten sich Bürgermeister Joachim Kipke, Landrat Thomas Eberth, Kreisbaumeister Christoph Schmelz und Kreisentwicklungschef Michael Dröse über die Herausforderungen der Innenentwicklung, den Erhalt von Baukultur und den identitätsstiftenden Charakter von Ortsbildern aus. „Der Landkreis Würzburg unterstützt Bauherren, die wieder Leben in alte Gemäuer bringen wollen“, betont Eberth. Die Innenentwicklungsstrategie des Landkreises umfasst unter anderem Bauberatungsgutscheine, Unterstützung in denkmalschutzrechtlichen Fragen und ein Förderprogramm zur Aktivierung von Leerständen und Baulücken im Ortskern. „Über einhundert Jahre Weinhändlerarchitektur für die Nachwelt zu erhalten, ist eine besondere Herausforderung“, erkennt Eberth an. Für die Vielfalt an schützenswerter Bausubstanz im Altort könne ein eigenes Zeller Baugesetzbuch geschrieben werden, scherzt der Landrat, und fügt ernst hinzu: „Wo das Landratsamt unterstützen kann, stehen wir natürlich als Ansprechpartner zur Verfügung.“

Schätze über und unter der Erde

Letzte Station der Gemeindetour ist der Bürgerbräustollen, der sich etwa 300 Meter durch den Zeller Berg zieht und einen ehemaligen Trinkwassersuchstollen mit einem Kriegsschutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg verbindet. Im Rahmen der Zeller Kutlurmeile steht der Stollen als Ausstellungsort zur Verfügung. In den Herbstferien fanden auch schon Grusellesungen für Kinder statt. Bürgermeister Kipke kann sich vorstellen, den Stollen als Attraktion häufiger zu öffnen: „Im Inneren lässt sich in Kombination mit unserem Wassermuseum viel über die Geologie des Trias und die Zeller Geschichte lernen“.
Landrat Eberth zeigte sich beeindruckt, welche Schätze in Zell „über und unter der Erde schlummern“. Auf die historische Bausubstanz, das lebendige Kulturleben und das ausgeprägte ehrenamtliche Engagement könne die Marktgemeinde sehr stolz sein, so der Landrat. „In Zell ist viel Neues entstanden. Dies muss mit dem historischen Zell kombiniert werden und bietet so ein unglaubliches, städtebauliches Potenzial“, so der Landrat. Im Schulterschluss mit der Gemeinde wolle der Landkreis die Entwicklung Zells gerne begleiten.