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21.12.2010

Ein bisschen Frieden...


Arabisch-jüdische Freundschaften im Partnerlandkreis Mateh Yehuda 
  
Die Weltnachrichten verheißen derzeit nichts Gutes, wenn es um den Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern geht. Israel weigert sich, den Siedlungsbau in den besetzten Gebieten zu stoppen, um weitere Friedensverhandlungen zu ermöglichen. Beim diesjährigen Besuch im Partnerlandkreis Mateh Yehuda traf die Delegation aus dem Landkreis Würzburg auf real existierendes friedliches Zusammenleben von arabischen und jüdischen Israelis.
 
Ein Beispiel sind Jakub und Mical. Ihr Restaurant in dem 1000-Seelen-Dorf Ein Raffa heißt hebräisch „Majida“, das bedeutet „ruhmreich“. Jakubs und Micals Küche ist hervorragend, die Jerusalemer kommen gerne in das liebevoll eingerichtete Lokal mit künstlerischem Touch. Es ist ein besonderer Ort, und deshalb passt auch der Name „ruhmreich“ so gut: Die Besitzer, Jakub und Mical, leben seit Jahren die Vision, die ihr Land braucht. Jakub ist Araber, Mical Jüdin. Die beiden leben mit ihren Kindern in Ein Raffa, wie Ein Naqquba eines von zwei arabischen Dörfern im Landkreis Mateh Jehuda. Jakub ist gelernter Schreiner und sorgte für die außergewöhnliche Einrichtung des Lokals. Mical kocht und bäckt wundervoll. Die Delegation des Landkreises Würzburg genoss das Willkommensessen, zu dem Landrat Moshe Dadon die Freunde aus Deutschland bewusst in genau dieses Dorf, in genau dieses Restaurant eingeladen hatte.
 
Die Dorfbewohner von Ein Raffa leben in einfachen Häusern, sie betreiben hauptsächlich Landwirtschaft. Es gibt eine Schule und eine Moschee, deren Minarett das Bild prägt. Unter freiem Himmel sprechen Moshe Dadon und sein Freund, der arabische Bürgermeister von Ein Raffa leidenschaftlich über ihre gemeinsame Vision. „Ich möchte in Ein Raffa ein Friedenszentrum  schaffen, um zu zeigen, dass Juden und Araber gemeinsam leben und arbeiten, lernen und lachen können“, sagt er sehr ernst. Und Allah, der junge Bürgermeister von Ein Raffa, knüpft die Bande noch weiter. „Wir sind alle Bürger Israels, und gemeinsam mit unseren deutschen Freunden müssen wir dafür arbeiten, um Frieden und Entwicklung für die nachfolgenden Generationen zu erreichen.“
 
Das sieht Landrat Moshe Dadon genauso. Er investiert gerade einige Millionen Shekel in die Schule von Ein Raffa. „Es ist wichtig, dass die Bildung der Kinder hier genauso gut ist wie in den jüdischen Gemeinden“, betont er. In seinem Landkreis gibt es neben den beiden arabischen Dörfern noch eine Besonderheit: das einzige Dorf, in denen Araber und Juden gemeinsam leben. Auch ein Name mit Hintersinn: Neve Shalom – Oase des Friedens.  
 
Eine Besonderheit von Mateh Yehuda ist der hohe Anteil arabisch-stämmiger Juden. Landrat Moshe Dadon etwa ist marokkanischer Abstammung, der Partnerschaftsbeauftragte Moshe David jemenitischer Herkunft. Das bedeutet, dass sich die Juden und Araber im Landkreis Mateh Yehuda in der Mentalität näher sind als dies bei den europäischen, nordamerikanischen oder osteuropäischen Juden und Arabern der Fall ist. Das macht die Verständigung einfacher.
 
In den Begegnungen der Delegation mit den Menschen in Mateh Yehuda, ob es Winzer oder Bürgermeister, Lehrerinnen oder Kibbuzim sind, ist die Sehnsucht nach Frieden, nach einem „normalen“ Leben ohne Angst spürbar.
 
Michelle, eine New Yorker Jüdin, kam in den 80er Jahren voller sozialistischer Visionen in den Kibbuz Ma’ale Hahamisha. Sie zeigt uns stolz den Freiluftstall der Milchkühe, für die sie verantwortlich ist. Im Hintergrund liegen Hügel, die zur Westbank gehören. „Dort hinten würde die Grenze verlaufen, wenn es eine Zweistaatenlösung für Israel und Palästina gäbe“, meint sie. „Wovor sollte ich Angst haben, wenn das so käme?“, meint sie überzeugt.
 
Beim Rundgang durch Moshav Aderet, einem entlegenen Dorf im Landkreis Mateh Yehuda, zeigt uns einer der Dorfverantwortlichen zwischen zwei neu gebauten Wohnhäusern den Verlauf der neuen Grenzmauer. „Schade, früher haben wir uns mit den Leuten aus dem Westjordanland getroffen und haben zusammen musiziert. Das war gut. Heute ist das nicht mehr möglich.“
 
Während des einwöchigen Aufenthalts wird den Besuchern aus dem Landkreis Würzburg vor Augen geführt, wie viele zum Teil extreme Interessengruppen es in Israel, einem Land gerade so groß wie Hessen, gibt. Die ultraorthodoxen Juden, die Siedler, die die aggressive Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten nicht aufgeben wollen, die säkularen Juden, denen an einer friedlichen Zweistaatenlösung liegt, dazu die arabischen Israelis und immer in Steinwurfweite die Grenze zum Gazastreifen, zur Westbank, zu den umliegenden Nachbarstaaten. Ist Frieden in naher Zukunft möglich? Zu wünschen wäre es den Israelis, die mit unglaublicher Willenskraft für den Erhalt ihres Staates kämpfen, zu wünschen wäre es den Palästinensern, deren Vorfahren eben auch über Jahrhunderte hier lebten.
 
Frieden braucht Brücken, nicht Mauern, heißt eine der Parolen von Friedensaktivisten im Land. Säkulare Juden hoffen auf den Druck der EU und der USA, dass es doch noch eine Zweistaatenlösung geben kann. Denn möglich ist eine friedliche Partnerschaft zwischen Israelis und Arabern – die Menschen von Ein Raffa, von Neve Shalom und Ein Naqquba machen es schon lange vor.