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05.12.2011

Fachtagung zum Messie-Syndrom fand großes Interesse


Das Thema Messies ist nicht nur in den Fernsehkanälen präsent. 230 Teilnehmer aus Fachkreisen nahmen an der Fachtagung „Messie-Syndrom, Desorganisation und Verwahrlosung“ teil, die der sozialpsychiatrische Dienst des Gesundheitsamtes Würzburg in der Franz-Oberthür-Schule veranstaltete. Dass es sich beim Messie-Syndrom nicht um ein einfaches Vermüllungsproblem handelt, machten die vier Referenten der Tagung mit ihren Beiträgen deutlich.
 
Abgeleitet von dem englischen Wort „mess“ für Unordnung werden jene Menschen Messies genannt, die ihren eigenen Lebensbereich massiv einschränken, indem sie zum Beispiel ihre Wohnungen mit Dingen vermüllen und oftmals auch unfähig sind, ihren Alltag zu organisieren. Das Messie-Phänomen reicht von mangelnder Ordnung mit irrationaler Sammelleidenschaft bis hin zum Vermüllungssyndrom mit massiver Geruchsbelästigung und Ungeziefer.
 
„Die individuellen Erscheinungsformen des Messie-Phänomens sind vielfältig und unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildung zu sehen. Es ausschließlich als „Sammel- und Ordnungsproblem“ zu beschreiben, wäre zu einfach.“ Mit dieser Definition eröffnete Wibke Schmidt, Mitarbeiterin des sozialpsychiatrischen Dienstes des Gesundheitsamtes Würzburg die Fachtagung. Dr. med. Rainer Rehberger, Arzt für psychotherapeutische und innere Medizin, betonte, dass es sich nicht um ein einfaches „Vermüllungs-Syndrom“ handelt. „Es kann gleichzeitig auch Ausdruck von Zwangsstörungen und Depression bei unsicheren Bindungsverhältnissen sein.“
 
Wertschätzender Umgang mit Messies gefragt
„Nicht nur die Betroffenen selbst sind hilflos, sondern oft auch diejenigen, die sie betreuen sollen“, stellte Wedigo von Wedel, Geschäftsführer des H-TEAM e.V. München fest. Ausgehend von der Zielsetzung des Wohnungserhalts hat es sich der Verein zur Aufgabe gemacht, Betroffene mit desorganisierten Haushalten vor Ort zu helfen und zu unterstützen. Kernpunkt seiner Botschaft an das Publikum war die Sensibilisierung für einen wertschätzenden Umgang mit Betroffenen einer derartigen Symptomatik. Auch ein Mitarbeiter eines sozialen Dienstes ist nur zu Gast in einer verwahrlosten Wohnung, die dort herrschenden Regeln bestimmt der Mieter. Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Hilfebedürftigen ist es wichtig, die Problematik verstehen und einordnen zu können und sich der Möglichkeiten, aber auch der Grenzen der Hilfe bewusst zu sein.
 
Erfahrungen einer Betroffenen
Gespickt mit Erfahrungen aus ihrem früheren Lebensalltag berichtete Marianne Bönigk-Schulz vom Förderverein zu Erforschung des Messie-Syndroms (FEM) e.V. von ihren ganz persönlichen Eindrücken als Betroffene. Was fühlen Betroffene, wie leben sie und wie können sie sich selbst helfen? Marianne Bönigk-Schulz definierte die Messie-Problematik als eine Art „Handlungsblockade“, die die Hilfebedürftigen überwiegend in ihrer eigenen Wohnung erleben. „Messies können ihre Wünsche, Ziele und Planungen nicht in Handlungen umsetzen“, beschrieb Bönigk-Schulz. Als möglichen Ausweg nannte sie die Einübung von Autonomie und Selbstverantwortung, Informationen über die Hintergründe des eigenen Verhaltens sowie die Verbesserung der sozialen Kompetenz. Messies müssen ein Gefühl der Verbundenheit, des Mitgefühls und Respekts durch andere erfahren, so Bönigk-Schulz weiter. 
 
Messie-Syndrom: der rechtliche Rahmen
Den rechtlichen Rahmen für den Umgang mit dem Messie-Syndrom und der Vermüllungsproblematik zeigte Dr. Hedda Hetzel, Leiterin des Geschäftsbereichs „Jugend, Soziales, Arbeit und Gesundheit“ des Landratsamtes Würzburg, auf. Die rechtlichen Ansatzpunkte sind vielfältig, ausgehend von zivilrechtlichen Fragestellungen aus dem Mietrecht über ordnungsrechtliche Fragestellungen bis hin zum Betreuungs- und Unterbringungsrecht als dem für den Betroffenen einschneidendsten Instrument. Die Referentin stellte klar, dass das staatliche Gewaltmonopol immer nur das letzte Mittel sein kann. Hilfen sollten davor im sozialen Raum möglichst auf der Ebene der Freiwilligkeit getroffen werden.
 
Die Organisation der Fachtagung lag in der Hand des Gesundheitsamtes, unterstützt  durch die Vorsitzenden der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft (PSAG) „Sozialpsychiatrie“ und der PSAG „Betreutes Wohnen“.