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15.06.2010

Gefährliche Schläge gegen Kinder
Wie erkennt man Kindesmisshandlungen?

„Eine Ohrfeige hat noch keinem geschadet“, sagt man so im Volksmund. Aber von Erwachsenen ausgeführte und von Aggression getragene Schläge gegen (Klein)Kinder können lebensgefährlich sein. Es kann zu Blutungen im Innenohr mit Schädigung des Gleichgewichtssinnes kommen und zu Gehirnerschütterungen bis zu Hirnblutungen.

Mit eindrucksvollen Bildern aus der Praxis berichtete die Rechtsmedizinerin Dr. Bianca Navarro von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz von ihrem Wirken in der forensischen Ambulanz für Opfer häuslicher Gewalt: „Das Erkennen von Kindesmisshandlungen und Folgen von sexuellem Missbrauch ist selbst für Kinderärzte schwer diagnostizierbar. Fachwissen und langjährige Erfahrung sind gefragt, um konkrete Befunde erheben zu können. Die eindeutige Beweislage ist jedoch oft wichtig für Polizei, Staatsanwaltschaft, Familiengericht oder Jugendamt, um Kinder sicher zu schützen.“

Auch das Schütteln von Säuglingen kann nachhaltig schädigende Auswirkungen auf das Gehirn und die Halswirbelsäule haben. Besonders schwer erkennbar sind sogenannte Petechien, kleine rote Punkte in Gruppen in Gesicht und anderen Hautregionen. Diese können Anzeichen für Erstickungsversuche infolge von langem Zuhalten von Mund und Nase sein. Überforderte Eltern greifen manchmal zu solchen Methoden, um Kinder ruhigzustellen oder zu bestrafen.

In der Veranstaltungsreihe „forum jugendhilfe“ des Amtes für Jugend und Familie des Landkreises Würzburg berichtete Navarro vor 130 Fachleuten der Justiz, Polizei, Medizin, Jugendhilfe und Kindertageseinrichtungen von Verbrühungen, Brüchen, Schlagspuren und sexuellen Übergriffen gegenüber Säuglingen und Kleinkindern. Die Unterscheidung, ob es sich um einen Schlag oder einen Sturz, eine Verletzung beim Spiel oder eine gezielte Gewalteinwirkung handelt, kann in vielen Fällen nur der medizinisch darauf geschulte Rechtsmediziner treffen.
„Wir hatten bislang eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Würzburger Institut für Rechtsmedizin in solchen Kinderschutzfällen“ erläuterte Hermann Gabel, Leiter des Amtes für Jugend und Familie. „Kürzlich wurde bekannt, dass die Würzburger Rechtsmedizin wohl nach Erlangen verlegt und dort fusioniert werden soll. Das ist nicht nur für uns Jugendämter ein qualitativ herber Rückschlag.“

In der Diskussion der Fachleute zeigte sich eindeutig, dass Kinder- und Frauenärzte, Polizei und Jugendamt, Erzieher und Lehrer, sowie Vertreter der Justiz sich noch intensiver mit diesem Thema auseinandersetzen müssen, um das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in elterlicher, aber auch öffentlicher Verantwortung sicherzustellen. Misshandlung von Kindern findet zumeist im Verborgenen statt. Deshalb ist die Wahrnehmung von Anzeichen durch Fachleute, aber auch durch Verwandte, Bekannte und Nachbarn umso wichtiger, je jünger das Kind ist.
Dr. Bianca Navarro wurde 2007 mit dem Kinderschutzpreis des Deutschen Kinder-schutzbundes Rheinland-Pfalz für ihre engagierte und wichtige Arbeit ausgezeichnet.
Diese Veranstaltung fand in Kooperation mit der Koordinierenden Kinderschutzstelle (KoKi) statt. Das nächste forum jugendhilfe ist für Herbst zum Thema „Alkohol-Gewalt-Straffälligkeit“ geplant.

Informationen zum Kinderschutz im Landkreis Würzburg, zu Hilfen bei häuslicher Gewalt gegen Kinder und den Überblick über frühe Hilfen für Kinder und Eltern gibt es bei der Koordinierenden Kinderschutzstelle (KoKi) im Landratsamt Würzburg, Zeppelinstraße 15, 97074 Würzburg Tel.: 0931/8003-332 oder -395 Mail: kinderschutzstelle@lra-wue.bayern.de; www.kreisjugendamt-wuerzburg.de

 

Dr. Bianca Navarro
Foto: Kreisjugendamt