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02.11.2022

Politik und Verwaltung erarbeiten Ausweg zum Planungsstopp für die Ortsumgehung Giebelstadt - Brutfläche der Wiesenweihe der Zankapfel

Im April dieses Jahres stoppte die Höhere Naturschutzbehörde an der Regierung von Unterfranken die Planungen für die Ortsumgehung Giebelstadt und für die an der
B 19 gelegenen Ortsteile Euerhausen und Herchsheim. Grund dafür waren die erheblichen Eingriffe in das Europäische Vogelschutzgebiet „Ochsenfurter und Uffenheimer Gau und Gäulandschaft nördlich von Würzburg“ und hier vor allem das Brutgebiet der geschützten Wiesenweihe.

Landrat Thomas Eberth äußerte sich bereits im Frühjahr schockiert über diese Entscheidung, die die Planungen von mehr als 20 Jahren gestoppt hat. „Für mich stimmt hier die Abwägung zwischen den Schutzgütern Mensch und Natur nicht“, so Eberth.

Seitdem bemüht sich Landrat Eberth gemeinsam mit dem Giebelstädter Bürgermeister Helmut Krämer, mit MdB Paul Lehrieder, MdL Manfred Ländner, Staatssekretär a.D. Gerhard Eck und Staatssekretär Sandro Kirchner um einen Ausweg aus dieser Lage.

Wiesenweihe zeigt sich als anpassungsfähig

Aufgrund der sehr positiven Entwicklung der Wiesenweihen-Population in den letzten zehn Jahren konnte man eine erstaunlich flexible und erfolgreiche Anpassung der Wiesenweihe an veränderte Bedingungen beobachten. Dies zeigen Zahlen des Landesbundes für Vogelschutz (LBV). Ernst Rauh, Gemeinderat aus Giebelstadt, zitierte aus dem Webauftritt des LBV. Dort werden für 2012 161 Brutpaare in Unter- und Mittelfranken verzeichnet, 2021 waren es 187 Brutpaare, und das trotz manch schwieriger Umstände wie Extremwetter oder ein schlechtes Feldmaus-Angebot.

Deshalb kam man bei einem Treffen mit Regierungspräsident Dr. Eugen Ehmann, Andreas Hecke als Leiter des Bereichs Straßenbau am Staatlichen Bauamt und Edith Schulz, Leiterin des Umweltamtes am Landratsamt Würzburg zum Ergebnis, dass die sogenannte Erheblichkeitsschwelle neu bewertet werden müsse. Die Erheblichkeitsschwelle bestimmt, ob nach dem Bau der Umgehung genügend Flächen als Bruthabitat und Nahrungsfläche für die Wiesenweihe zur Verfügung stehen. Gerade auch deshalb, weil sich das Bruthabitat durch die veränderten Klimabedingungen zugunsten weiterer Getreidesorten über das 100-fache erhöht hat.

Nach Informationen des LBV liegen die Hauptbruthabitate der Wiesenweihe aktuell nicht auf der im Vogelschutzgebiet liegenden Trasse für die Ortsumgehung, da sich der Vogel auf den verstärkten Anbau von Wintergerste eingestellt hat. Winterweizen wird um Giebelstadt auf einer viel größeren Fläche als noch vor einigen Jahren angebaut und deshalb hat sich auch die Brutfläche für die Wiesenweihe deutlich vergrößert. Diese Erkenntnisse bezeichnet Landrat Thomas Eberth als „Hoffnungsschimmer am Horizont“, um doch noch auf der bisher geplanten Trasse den Bau der Ortsumgehung zu ermöglichen. „Dabei geht es nicht nur um die leidgeplagten Anwohner der B 19, sondern um ein Gesamtbild für Nutzer der bisherigen Straßen und die Umwelt sowie die hohe CO2-Belastung“, betont Eberth.

Landtagsabgeordneter Manfred Ländner plädierte für eine „objektive Untersuchung durch die Verwaltung, sonst wird im Landkreis Würzburg bald gar nichts mehr gebaut.“ Der Schutz der Umwelt muss gleichrangig mit dem Schutz der Menschen bewertet werden. Es könne nur um eine Neubewertung des Wiesenweihe-Habitats auf Basis der bisherigen Planungen gehen, so Ländner.

Planfeststellungsverfahren zur Ortsumgehung Giebelstadt ist nicht abgeschlossen – Neubewertung der Fakten gefordert

„Es ist nicht richtig, dass das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen ist“, betonte Regierungspräsident Dr. Eugen Ehmann. „Es geht nicht um ein neues Gutachten oder neue Erhebungen, sondern um die Neubetrachtung und –bewertung der bisherigen Fakten“, betonte Ehmann. Dies wäre ein Weg, der die bisher beplante Trasse zugrunde legt und deshalb in absehbarer Zeit zu beschreiten wäre.

Paul Lehrieder, MdB, erklärte, dass die Ortsumgehung Giebelstadt nach wie vor im Bundesverkehrswegeplan steht und hier auch finanziell unterlegt ist. „Die Gelder für die neue Trasse stehen zur Verfügung“ so Lehrieder.

Politische Lösung für besonders betroffene Regionen?

Auch eine politische Lösung wäre denkbar: Im Umweltausschuss des bayerischen Landtags sollte über Ausnahmeregelungen für Regionen nachgedacht werden, die besonders von seltenen Arten und den daraus folgenden artenschutzrechtlichen Vorgaben betroffen sind. Auch Gespräche mit dem Bayerischen Bauministerium und dem Bund als Bauherren sollen geführt werden.

Landrat Thomas Eberth betont: „Es geht uns natürlich um die Menschen, die entlang der B19 in Giebelstadt, Euerhausen und Herchsheim leben. Und es geht auch um die vielen tausend Menschen, die tagtäglich hier entlangfahren, auf der Achse zwischen Bad Mergentheim und Würzburg und die immens viel Zeit und Benzin verbrauchen. Hier entsteht auch ein großer volkswirtschaftlicher aber auch umwelttechnischer Schaden, den wir so nicht hinnehmen können.“

Deshalb ringen nun Politik und Verwaltung um einen Weg, der aus der Sackgasse des Planungsstopps führt und doch noch zu einer Lösung führt, die für Menschen und Naturschutz gangbar ist.

Demnächst ist erneut eine Besprechung mit den Fachbehörden angesetzt, bei der weitere Schritte besprochen werden und an der auch Dr. Thomas Keller, Leiter der Höheren Naturschutzbehörde an der Regierung von Unterfranken, teilnehmen wird.