Seiteninhalt

27.07.2021

Wahlalter, Bürgergeld und Verkehrswende - Jugendkreistag macht den Kandidat:innencheck zur Bundestagswahl

Welche Maße haben die Flaggen auf dem Reichstagsgebäude? In welchem nationalen Parlament sitzen die meisten Frauen? Es sind keine leichten Fragen, mit denen der Jugendkreistag das Allgemeinwissen der Würzburger Direktkandidat:innen zur Bundestagswahl abklopft. „7 mal 5 Meter“, weiß Paul Lehrieder (CSU) die Maße der Flaggen. Und Freya Altenhöner (SPD) muss bei der Frage zum weltweit höchsten Frauenanteil eines Parlaments nicht lange überlegen: „Das ist Ruanda mit 61 Prozent.“ Im Deutschen Bundestag sind hingegen nur 31 Prozent der Abgeordneten weiblich. Sebastian Hansen (Bündnis 90/Die Grünen) punktet mit Wissen zum englischen Unterhaus. Welche Handlung ist vor jeder Sitzung zwingend erforderlich? Antwort: Ein großer Zeremonienstab muss ins Parlament getragen werden. Fehlt das Zepter, dürfen die Abgeordneten keine Gesetze verabschieden.

Altenhöner, Hansen und Lehrieder sind einer Einladung des Jugendkreistags gefolgt. Zwei Monate vor der Bundestagswahl nutzen sie die Gelegenheit, sich den Jugendkreisrät:innen vorzustellen. Lehrieder vertritt seit 2005 als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter den Wahlkreis Würzburg Stadt und Land. Altenhöner und Hansen bewerben sich erstmals um das Direktmandat. Landrat Thomas Eberth dankt in seiner Begrüßung den Kandidat:innen für ihr politisches Engagement und lobt die Arbeit des Jugendkreistags: „Es ist keine Selbstverständlichkeit mehr, sich einzusetzen für Gesellschaft und Politik und damit für die Demokratie.“ Engagement heiße auch, zu seiner Meinung zu stehen, Verantwortung zu übernehmen und manchmal unbequeme Entscheidungen treffen zu müssen. Im Anschluss übernehmen die Jugendkreistagssprecher Clemens Fensterle und Jannis Müller die Moderation der Veranstaltung, in der die Kandidat:innen auf Herz und Nieren geprüft werden.

Nach dem Quiz geht es in die zweite Runde. Die Kandidat:innen sollen Sätze ergänzen. „Eine Herabsenkung des Wahlalters auf 14 Jahre finde ich…“, geben die beiden Moderatoren vor. „Sinnvoll und richtig“, vollendet Sebastian Hansen den Satz. Letztlich beginne auch die Strafmündigkeit im Jugendstrafrecht mit 14 Jahren. Eine Absenkung des Wahlalters hält auch Freya Altenhöner für denkbar. In der SPD könne Parteimitglied werden, wer das 14. Lebensjahr vollendet habe. „Wer sich einer Partei anschließen kann, vermag auch eine Wahlentscheidung zu treffen“, glaubt sie. Paul Lehrieder hingegen kann sich eine Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre nicht vorstellen. „Über eine Absenkung auf 16 Jahre ließe sich reden, allerdings sollte das mit anderen Verantwortlichkeiten einhergehen, beispielsweise mit einer Anpassung der Geschäftsfähigkeit“, sagt der CSU-Abgeordnete. Und wie beurteilen die Jugendkreisrät:innen selbst die Debatte um eine Absenkung des Wahlalters? Ein spontan eingeholtes Stimmungsbild unter den Jugendlichen ergibt eine Mehrheit fürs Wählen ab 16. Bis es soweit ist, möchten die Jugendlichen ihre Einflussmöglichkeiten als Jugendkreisrät:innen weiter ausbauen. „Wir wünschen uns eine Vernetzung und einen Austausch der Jugendkreistage in Bayern“, erklärt Clemens Fensterle.

Im dritten Teil des Kandidat:innenchecks stellen sich Altenhöner, Hansen und Lehrieder einer offenen Fragerunde. Hier wird deutlich, welche Themen den Jugendlichen besonders unter den Nägeln brennen. Wie stehen SPD, Grüne und CSU zu einem Bürgergeld oder bedingungslosen Grundeinkommen? „Die Frage stellt sich schon“, so Kandidat Hansen, „denn durch die Digitalisierung und den Wandel der Arbeitswelt fallen zukünftig Jobs weg“. In ihrem Programm haben die Grünen zunächst einmal eine Kindergrundsicherung sowie eine sanktionsfreie Grundsicherung für Arbeitssuchende verankert. SPD-Kandidatin Altenhöner befürchtet hingegen, dass die Wirkung eines Bürgergelds einfach verpuffe, wenn jeder 1.000 Euro mehr im Geldbeutel habe und Mieten sowie Lebenshaltungskosten entsprechend steigen. „Wichtiger ist deshalb ein sozialer Arbeitsmarkt mit guten Beschäftigungsverhältnissen“, sagt sie. Auch bei Paul Lehrieder entfacht das bedingungslose Grundeinkommen keine Euphorie. „Wir wollen mit Hartz IV niemanden bloßstellen. Auf Arbeitslosengeld II besteht vielmehr ein Rechtsanspruch. Aber mit dem Grundsatz von Fördern und Fordern tragen wir dem Umstand Rechnung, dass die Leistung letztlich aus Steuergeldern bezahlt wird.“ Die Geschichte der Arbeitswelt habe außerdem gezeigt, dass Transformation nichts Schlechtes sein müsse. Bisher habe der Wandel mehrheitlich zu höher wertigen Stellen geführt.

Themawechsel. Auf jeder Tagesordnung seit der ersten Sitzung des Jugendkreistags im November 2019 steht mindestens ein Antrag zur Mobilität. ÖPNV, Radwege und Schulbusverkehr sind ein Dauerbrenner bei den Jugendlichen. Das wird auch in der Diskussion mit den Bundestagskandidat:innen deutlich. Es entwickelt sich eine Diskussion über die Reaktivierung von Bahnstrecken, die Zukunft des Individualverkehrs und die Antriebswende in der Autoindustrie. „Bitte mehr Güterverkehr auf die Schiene“, gibt ein Schüler den Kandidat:innen mit auf den Weg. Die Einnahmen aus der Lkw-Maut sollten auch in die Schieneninfrastruktur fließen, kommt ein weiterer Vorschlag aus den Reihen des Jugendkreistags.
Nach gut zweieinhalb Stunden darf sich das Trio vom Podium verabschieden. Dass die Kandidat:innen im Wahlkampf so viel Zeit mitgebracht haben, freute die Jugendlichen ganz besonders.