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20.03.2009

Eberhard Nuß: Abfallwirtschaft im Landkreis Würzburg

Rede zur Sondersitzung des Kreistags am 20. März 2009 zum Thema Abfallwirtschaft im Landkreis Würzburg

Es gilt das gesprochene Wort

 

Grund der Sitzung:

Wir haben die heutige Sondersitzung des Kreistags einberufen im Anschluss an das, was wir am 12. Dezember 2008 über die Verwendung der Zinsausschüttung durch das MHKW beschlossen hatten:


Wir hatten damals unsere Verbandsräte angewiesen, für eine Neukalkulation der Verbrennungsgebühr zu stimmen –
und hatten gleichzeitig festgelegt, dass der auf den Landkreis Würzburg entfallende Betrag zu 100 Prozent der Abfallwirtschaft zugeführt wird.

Zur Erinnerung:
Uns stehen runde 2,4 Millionen Euro zur Verfügung – und es stellt sich die Frage:
Was lässt sich mit diesem Geld in der Abfallwirtschaft Gutes tun?

1.)
Nachhaltige Gebühren schaffen
Das heißt:
Wir initiieren über dieses Geld eine Neukalkulation der Gebühren mit dem Ziel, dass die momentane Abfallgebühr - trotz gestiegener Lohn- und Sachkosten – auch über die nächsten Jahre stabil und bezahlbar bleibt.

2.)
Verbesserung der Service-Leistung
Ein Wunsch, den die Bürger immer wieder an uns heran tragen.

Vor allem aus diesem Grund bietet es sich an, dass ein Gremium – wie der Kreistag – bei so einer Gelegenheit auch gleichzeitig Bilanz zieht über das bisher Erreichte.

Wo stehen wir?

Historie / Entwicklung:

Erst im Jahr 2004 hat der Landkreis die Abfallwirtschaft in seinem Bereich übernommen und kommt damit erst seiner gesetzlichen Zuständigkeit nach.

Davor wurde die Müllabfuhr von den kreisangehörigen Gemeinden selbständig organisiert:

  • 36 Gemeinden waren im Müllabfuhrzweckverband zusammen geschlossen; eine erfolgreiche Organisation. Der letzte Verbandsvorsitzende war unser Kreistagskollege Alfred Endres.
  • im Süden arbeitete die Firma NBS.

Jede Gemeinde hatte eine eigene Satzung.

Es gab im Landkreis Würzburg deshalb

  • 52 verschiedene Müllsatzungen
  • und 52 unterschiedliche Müllgebühren.

In dieser Zeit haben 37 Gemeinden Wertstoffsammelstellen gebaut – gefördert auch mit Mitteln des Landkreises.

Nach 2004 wurden die 52 gemeindlichen Entsorgungs- und Finanzierungskonzepte zusammengefasst zu einem Abfallwirtschaftskonzept für den gesamten Landkreis.

Der erste Schritt war der Aufbau eines einheitlichen Abfuhrsystems.

Es wurde eine einheitliche Müllgebühr für den gesamten Landkreis Würzburg eingeführt.

Diese einheitliche Gebühr hatte zwei Bedingungen zu erfüllen:

  1. es sollten alle Leistungen mit einer Gebühr abgedeckt sein – also praktisch ein „all inclusive“ für die ganze Palette an Leistungen
  2. die Gebühr muss für die Bürgerinnen und Bürger bezahlbar sein und muss bezahlbar bleiben!

Die damals festgelegte Müllgebühr ist bislang nie angehoben worden -
im Gegenteil:
sie ist 2007 sogar abgesenkt worden - um 7,5 %.

Das ist zum einen der Verdienst von team orange – durch eine wirtschaftliche Betriebsführung - hängt aber auch mit der Verbrennungsgebühr vom Müllheizkraftwerk zusammen.
Mit der restlichen Abwicklung der Finanzierung der 3. Ofenlinie ist die Verbrennungsgebühr gesunken und in der Folge auch die Müllgebühr für die Bürger.

Mit unseren Müllgebühren liegen wir heute weit unter dem Bundes- und dem Landesdurchschnitt.

Die 60-Liter-Restmülltonne für den 4-Personen-Haushalt kostet bei uns im Landkreis Würzburg 159 Euro.

Zum Vergleich:

  • in Bayern kostet diese Tonne im Durchschnitt 166 Euro
  • in der Stadt Würzburg 177 Euro
  • im Landkreis Kitzingen 178 Euro.

Auch wenn ich von einigen gelegentlich höre:
Was soll's? 20 Euro mehr oder weniger im Jahr.

Es gibt auch im Landkreis Würzburg mittlerweile viele Familien, die rechnen mit jedem Cent. Das sind die Leisen in unserer Gesellschaft - meine Damen und Herren - die rufen nicht nach Containern, weil es für sie schon lange nichts mehr zum wegwerfen gibt.

Im Jahr 2006 ist das heiß diskutierte Wertstoffhofkonzept geboren worden -
ausgelöst durch die Elektronik-Schrott-VO, die 8 Sammelstellen für den Landkreis Würzburg vorschreibt.

Man hat sich im Verwaltungsrat und im Kreistag nach intensiven und zum Teil kontroversen Diskussionen auf 13 Wertstoffhöfe geeinigt, 9 davon mit der Rücknahme von Elektro-Altgeräten.

Diese 13 Wertstoffhöfe sind derzeit im Aufbau

  • allesamt mit bürgerfreundlichen Öffnungszeiten,
  • und es entstehen gleichzeitig 6 Grüngutsammelstellen.

Außerdem hat der Kreistag beschlossen, dass mit den Gemeinden, die eine Wertstoffsammelstelle hatten, ein Kooperationsvertrag abzuschließen ist – über den Verbleib eines Bauschutt- und eines Grüngutcontainers.

Alles in allem entsteht mit der Umsetzung dieses Konzepts und mit der Zeit

  • ein modernes Abfallwirtschaftssystem
  • mit modernen Entsorgungseinrichtungen,auf das andere Städte oder Landkreise neidisch blicken.

Nur zum Vergleich:
Im Nachbarlandkreis Kitzingen gibt es einen einzigen Wertstoffhof für den ganzen Landkreis, zu dem müssen alle hinfahren, egal, ob sie am Main wohnen – im Steigerwald - kurz vor Ochsenfurt - oder an der Grenze zu Schweinfurt.
Entfernungen um die 40 Kilometer zum nächsten Wertstoffhof sind völlig normal.

In der Stadt Würzburg gibt es für 135.000 Einwohner zwei Wertstoffhöfe.

Statistisch:

  • teilen sich im Landkreis Kitzingen 90.000 Bürger einen Wertstoffhof,
  • in der Stadt kommen auf einen Wertstoffhof 67.500 Einwohner
  • und im Landkreis Würzburg sind es nur rund 12.000 Einwohner, die auf einen Wertstoffhof kommen.

Das sind eigentlich Zahlen, die für sich sprechen.
Mit dieser Dichte an Wertstoffhöfen pro Einwohner stehen wir wahrscheinlich sogar bayernweit einmalig da.

Aber: unsere Bürger bewerten das anders – und ich habe bis zu einem gewissen Grad dafür auch Verständnis!

Unsere Bürger haben immer noch die 37 alten Wertstoffsammelstellen im Kopf

  • ortsnah gelegen –
  • mehr geschlossen als geöffnet – wegen der dort beschäftigten 400-€-Kräfte.

Aber man hängt an dieser Einrichtung, will sie nicht loslassen, weil sie alt-vertraut ist.

Wir alle wissen um diese Empfindsamkeit unserer Bürger, haben Verständnis dafür und suchen heute in dieser Sondersitzung des Kreistags nach Lösungen, die den Bürgerwünschen möglichst gerecht werden.

Eine schwere Aufgabe. Wir werden´s nicht jedem Recht machen können.
Was immer wir heute beschließen, es wird auch daran Kritik geben.


Wo liegen denn die Probleme, über die wir heute reden müssen?
Wie ist das bisherige Angebot – und wo liegen die Defizite?

Alles, was in unseren Haushalten täglich an Müll anfallen kann, wird beim Bürger abgeholt:

  • Restmüll in der grauen Restmülltonne
  • Biomüll in der brauen Tonne – im Standard 120 Liter
  • Altpapier in der blauen Tonne.

Es gibt den gelben Sack für den vielfältigen Verpackungsmüll und fürs Altglas stehen die Container vom DSD in den Gemeinden.

Was bleibt ist:

  • Bauschutt – in kleineren Mengen
  • Sperrgut
  • und Grüngut.

Lösungen für diese Restfraktionen sind natürlich

  • zum einen die 13 Wertstoffhöfe – die zum Teil noch im Entstehen sind –
  • und die Kooperationsverträge mit den Gemeinden für Bauschutt und Grüngut an den alten Wertstoffsammelstellen.

Wertstoffhöfe und Wertstoffsammelstellen haben einen entscheidenden Nachteil:
sie sind Bringsysteme, zu denen der Bürger erst hinfahren muss.

Solange er mobil ist, ist das sicher keine Frage.
Aber was ist mit den Menschen, die nicht oder nicht mehr mobil sind – aus welchen Gründen auch immer.

Wertstoffhöfe – so gut und modern sie auch sind – sie können immer nur eine sinnvolle Ergänzung des Gesamtangebotes sein.

Wertstoffhöfe ersetzen niemals das Holsystem, sie ergänzen es nur!

Wenn wir unseren Service also wirklich und spürbar verbessern möchten, dann müssen auch für die beiden Fraktionen Sperrgut und Grüngut weitere Holsysteme her.

Zum Sperrgut:

Jetzt keine Angst. Ich möchte die alten Straßensammlungen nicht mehr einführen – obwohl ich sie immer geschätzt habe.

Denken wir darüber nach – liebe Kolleginnen und Kollegen - ob wir mit einem Teil des Geldes aus der Zinsrückerstattung dem Bürger – neben der Möglichkeit, den Sperrmüll auf den nächstgelegenen Wertstoffhof zu bringen – nicht eine Sperrgutabfuhr auf Abruf anbieten.

Diesen Service werden v.a. die vielen Haushalte zu schätzen wissen, die keine Transportmöglichkeit haben:

  • keinen Kleinlaster
  • keinen PKW-Anhänger
  • oder Geräteträger.

Mein ursprünglicher Gedanke war, diese Sperrgutabholung einzuführen und sie - wie im LK Kitzingen - kostenlos anzubieten.

Es gibt aber drei stichhaltige Gründe, dies nicht zu tun, Gründe, die sich übrigens auch auf Nachfrage beim Landkreis Kitzingen so bestätigt haben:

1.) Die Gebührengerechtigkeit
Es wird trotz Abrufmöglichkeit immer noch Bürger geben, die ihr Sperrgut – vielleicht aus Zeitgründen – doch lieber selber zum Wertstoffhof fahren.
Dabei fallen Spritkosten an - oder ein Trinkgeld für einen hilfsbereiten Nachbarn oder Neffen/Enkel.
Diesen Gebührenzahlern gegenüber wäre es ungerecht, wenn anderen das Sperrgut kostenlos abgeholt wird.

2.) Nur Anschlussnehmer können anrufen.
Ohne eine zusätzliche Gebühr könnten tatsächlich nur die Haushalte bei team orange anrufen, die dort auch als Kunde und Gebührenzahler bekannt sind.
Es würden zig-tausende von Mieterfamilien wegfallen, weil in aller Regel nur der Vermieter auch Tonnen-Inhaber ist.

3.) Missbrauch vorbeugen
Es gibt „Spezialisten“, die uns ärgern wollen und alle 4 Wochen einen Stuhl raus stellen und anrufen: holt ihn ab – auf Kosten der Allgemeinheit!

Aus den drei genannten Gründen heraus halte ich eine geringe, pauschale Transportgebühr für richtig. Gegen 10 € beispielsweise könnte das Sperrgut in einer Menge von bis zu 5 m³ direkt an der Wohnung abgeholt und entsorgt werden.


Meine Damen und Herren,
ich gehe dabei auch von der eigenen Person aus:
Wir leben doch auch nicht im luftleeren Raum.

Ob Landrat oder Kreisrat, wir sind doch alle auch Bürger dieses Landkreises und haben unsere Familien und unsere Haushalte.
Ich lebe sogar in einer Gemeinde mit einem Wertstoffhof - aber wenn ich ein Sofa, einen Tisch oder einen Schrank zu entsorgen hätte, ich wüsste nicht wie.

Und da spielt auch die Entfernung keine Rolle.
Egal ob 800 Meter oder 8 Kilometer - was nicht in den Kofferraum meines Wagens passt, kann ich nicht transportieren. Und so geht es doch vielen Familien.

Ich persönlich würde in so einem Fall gerne den Service vom team orange nutzen:
Anrufen - da habt ihr 10 € - und holt mir den Krempel ab.
Ich muss nichts ins Auto wuchten, mach mein Auto nicht kaputt und muss auch am Wertstoffhof keine schweren Gegenstände umeinander schleppen.

Für mich ist das eine bürgerfreundliche Lösung.

Und sie nützt v.a. den Einwohnern in den Ortsteilen.

Wir haben im Landkreis Würzburg 52 Gemeinden und 114 Ortschaften.
Das heißt: selbst wenn wir in allen Gemeinden Sperrgutcontainer aufstellen würden - die Einwohner in 62 Gemeindeteilen müssten trotzdem ihr Sperrgut aufladen und in die Muttergemeinde fahren.

Mein Herz schlägt für die bürgerfreundliche Lösung.

Dass sie 10 Euro kostet, ist der Gebührengerechtigkeit geschuldet, denn nicht jeder hat in jedem Jahr diesen Bedarf.
Aber jeder Landkreisbürger, egal, wie abgelegen er wohnt, bekommt dieselbe Dienstleistung für denselben Preis.


Ich will aber nicht verschweigen, dass es neben der Einführung der „Sperrgutabfuhr auf Abruf“ noch eine weitere Variante.

Das ist die Alternative, für die heute Leinacher Bürger demonstrieren:
statt des Holsystems – das Bringsystem der Sperrgutcontainer.

Kann man machen.
Es muss uns nur klar sein, dass wir dann – aus Gründen der Gleichbehandlung – dieses Angebot allen Gemeinden machen müssen.

Und es ist auch nicht mit einem Container getan.
Wir brauchen drei – für die Fraktionen Holz, Plastik und Metall.

Wenn Sie mich fragen – meine Damen und Herren - als Landrat kann ich mit beiden Lösungen leben.

Ich möchte den Kreistag nur bitten, heute eine ganz klare Entscheidung zu treffen.


Grüngut
Echt gefordert - meine Damen und Herren - sind wir beim Thema Grüngut.

Wie lässt sich Grüngut derzeit entsorgen?

Im Holsystem nur über die braune Tonne, die im Standard 120 Liter groß ist.
Alles Weitere muss der Bürger zur Grüngutsammelstelle fahren - und dazu braucht er auch wieder Transportmöglichkeiten, die nicht jeder hat.

  • Wir wollen grünen Lungen in unserer Heimat und sind froh, wenn die Bürger auf ihren Grundstücken Bäume und Sträucher pflanzen,
  • wir wollen gesundes einheimisches Obst und sind froh, dass die Bürger Obstbäume und -sträucher anpflanzen, erhalten und pflegen,

und da fällt eben Baumschnitt an, der sich so ohne weiteres nur über die Biotonne nicht entsorgen lässt.

  • Als Ergänzung zur Biotonne
  • und als Alternative zur Grüngutsammelstelle

brauchen wir ein flächendeckendes Abfuhrsystem - in Form eines Holsystems.

Vor allem die Menschen in den stadtfernen Gemeinden werden diesen Service zu schätzen wissen, weil im ländlichen Raum der Baumbestand gewöhnlich größer und die Wege zur Sammelstelle weiter sind.

Mein Vorschlag, der Ihnen als Tischvorlage vorliegt, geht deshalb über die Grüngutabfuhr der letzten Jahre noch hinaus.

Früher wurde nicht in den Gemeinden gesammelt, die über eine eigene Grüngutsammelstelle verfügen
und auch nicht in den Gemeinden, die im Radius von 10 km um diese Sammelstelle liegen.

Geht es nach diesem Vorschlag, dann wird künftig - aus Gleichbehandlungsgründen

  • überall im Landkreis gesammelt,
  • zweimal jährlich und
  • ohne eine zusätzliche Gebühr.

Wenn Sie das heute beschließen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann wäre das ein echtes Mehr an Leistung und ein zusätzlicher Service für unsere Bürgerinnen und Bürger.

Das Ganze hat auch noch einen ökologischen Aspekt:

Die WVV der Stadt Würzburg hat großes Interesse am Grüngut aus der Region:

  • aus Stadt und Landkreis Würzburg
  • aus Kitzingen und Main-Spessart.

Der Grund:
Die WVV plant im großen Stil die Erzeugung und Vermarktung von Biogas aus Bioabfällen.

Das Gas soll teils unmittelbar ins Gasnetz eingespeist und zum Teil über ein Blockheizkraftwerk in Strom und Wärme umgewandelt werden.

Ein zukunftsweisender Plan, der Beachtung verdient und zu dem wir unseren Beitrag über eine systematische Grüngutsammlung leisten können.
Demnächst finden dazu die ersten Gespräche mit den ins Auge gefassten Gebietskörperschaften statt, um die Rahmenbedingungen abzustecken.


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

lassen Sie uns heute über alle Möglichkeiten beraten und anschließend eine Entscheidung treffen, die möglichst vielen unserer Bürgerinnen und Bürger nützt.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!