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08.10.2010

Eine Reise zwischen Weltkultur und Kindheitserinnerungen


Landkreis Würzburg lud zur Bürgerreise nach Tschechien ein
 
Es war ein mit Eindrücken, Begegnungen und Informationen vollgepacktes Programm, das die 47 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der zweiten Bürgerreise des Landkreises Würzburg erwartete. Das Ziel der Reise war die tschechische Partnerregion des Landkreises Würzburg, die Region Olmütz (Olomouc). Sie liegt rund 700 Kilometer ostwärts, nahe der polnischen Grenze.
 
Das Interesse an der zweiten Bürgerreise, die auf Initiative von Landrat Eberhard Nuß vom Partnerschaftsbeauftragten Klaus Buchner organisiert und begleitet wurde, war groß. Landkreis-Bürger, die die Partnerregion kennen lernen wollten, waren ebenso unter den Reisenden wie zahlreiche Heimatvertriebene, die 1946 ihre mährische Heimat verlassen mussten. Die weiteste Anreise nahm Elisabeth Riedl-Christensen auf sich. Die Ärztin lebt heute in Bergen in Norwegen, und unternahm die Reise zu den Wurzeln ihrer Familie gemeinsam mit Schwester und Schwager aus Würzburg.
 
Begegnungen mit den Partnern des Landkreises
Dr. Petr Křίžek, Theologe und Reiseleiter aus Prag, bot seinen Gästen eine perfekt organisierte Woche voller Höhepunkte und vielfältiger Einblicke in die Vergangenheit und Gegenwart seines Heimatlandes. Der Empfang im regionalen Kreisamt von Olmütz durch den 1. Stellvertreter des Regionalpräsidenten Michael Fischer sowie ein herzliches Wiedersehen im Rathaus von Mährisch-Schönberg (Šumperk) mit Bürgermeister Zdeněk Brož und seinem Stellvertreter Petr Suchomel gehörten zum offiziellen Charakter der Reise. Peter Suchomel und Christa Ullmann (in Vertretung ihres erkrankten Ehemannes Adolf Ullmann) repräsentierten in Mährisch-Schönberg die tschechische und deutsche Seite der Ackermann-Gemeinde, die von Anfang an zum Gelingen der Landkreis-Partnerschaft beitrug.
 
Besonders lebhaft in Erinnerung bleiben wird den deutschen Reisenden die Begegnung mit Schülerinnen und Schülern des Šumperker Gymnasiums. Die Jugendlichen sprachen sehr gut Deutsch und begegneten den Gästen aus der Region Würzburg offen und sympathisch. Beim Besuch des Europahauses in Šumperk , einem Begegnungszentrum für Deutsche und Tschechen, spielte Inge Caesar spontan einige Volkslieder zum Schifferklavier und berichtete über den Alltag der heute noch in Tschechien lebenden Deutschen.

Auch einen Einblick, wie sich deutsche Investoren in der tschechischen Wirtschaft engagieren, bot die Reise: Beim Autozulieferer Hella Autotechnik in Mohelnice (Möglitz), staunten manche über den qualitätvollen und komplexen Herstellungsprozess von Autoschweinwerfern für VW und Skoda.
 
Weltkultur mit barocker Musik und süßen Oblaten
Das UNESCO-Weltkulturerbe stand gleich zweimal auf dem Programm: Die barocke Dreifaltigkeitssäule in Olmütz gehört ebenso dazu wie das erzbischöfliche Schloss und der dazugehörige Schlosspark in Kremsier (Kroměříž). Es waren die liebevollen Aufmerksamkeiten der Reisegestaltung durch Petr Křίžek, die die Reise zu einem Erlebnis machten, das lange nachklingen wird. Für den Spaziergang unter den Kolonnaden des fürstbischöflichen Lustgartens in Kremsier gab es die berühmten Oblaten für die Reisenden, im Festsaal des Schlosses ließen zwei Studenten der Kremsierer Musikhochschule Musik des Barock für die Würzburger Gruppe erklingen.
 
Handgeschöpftes Papier, auf dem auch der tschechische Staatspräsident schreibt,  nahmen viele als Souvenir von der Papierfabrik in Groß-Ullersdorf (Velké Losiny) mit. Lohnenswert war auch der Besuch der mittelalterlichen „Märchenburg“ Busau (Bouzov), die zu den Wahrzeichen Mährens gehört. Sie wurde 1901 im historisierenden Stil durch den Deutschen Ritterorden umgebaut und war Drehort zahlreicher tschechischer Märchenfilme. 
  
Gedenken an Opfer von Hass und Gewalt
Dem Gedenken an die Opfer von Hass und Gewalt auf deutscher und tschechischer Seite galten zwei Besuche an denkwürdigen Orten in Nordmähren. Die Reisegruppe gedachte mit einer Kranzniederlegung der 38 Männer von Jaworitsch (Javořίčko), die am 5. Mai 1945 von einem SS-Kommando erschossen wurden. Die Frauen und Kinder aus Jaworitsch wurden aus ihrem Dorf vertrieben, die Häuser angezündet.
 
Eine andere Geschichte erzählt die ehemalige Wallfahrtskirche St. Anna in Altwasser (Stará Voda). Dieses ehemals fast ausschließlich von deutschen bewohnte Dorf wurde nach der Vertreibung 1946 völlig ausgelöscht und liegt heute im militärischen Sperrgebiet. Die Wallfahrtskirche, früher ein Wallfahrtsort für tausende von Pilgern, nutzten die russischen Truppen später als Gefangenenlager. Das Innere der Kirche wurde verwüstet und entweiht. Seit einigen Jahren bemühen sich Pfadfindergruppen und ehemalige Bürger von Altwasser darum, die bereits außen wieder restaurierte Kirche auch im Innern wieder in ihrer barocken Pracht erstrahlen zu lassen. Am Annatag tragen Pfadfinder Kerzen in den Wald, auf dessen Gebiet einst das Dorf stand, „um dort wenigstens einmal im Jahr wieder Licht in die versunkenen Häuser zu bringen“, erklärte Dr. Křίžek. Auch den Opfern der Vertreibung wurde ein Kranz gewidmet.
 
Von Hussiten, Juden und Orthodoxen
Die Religionsgeschichte der Region beleuchteten ein Empfang beim Olmützer Erzbischof Monsignore Jan Graubner sowie Besuche in der Orthodoxen Kirche von Olmütz und der ehemaligen Synagoge in Lipník nad Bečvou (Leipnik), die heute der Tschechischen Hussitischen Kirche als Betsaal dient.
Vaclav Keprt, Direktor der Caritas Olmütz, berichtete über die Probleme des Verbandes, der seit einigen Jahren ganz ohne staatliche Unterstützung auskommen muss. Hilfsprojekte für Roma und Suchtkranke gehören ebenso zur Arbeit der Caritas wie Projekte in der Ukraine oder Haiti, teilweise in Zusammenarbeit mit der Caritas Würzburg.
 
Naturerlebnisse: Altvatergebirge und Tropfsteinhöhle
Auch die Natur bot unvergessliche Eindrücke. Die unterirdische Welt der Jaworitscher Tropfsteinhöhlen verzauberte mit die Phantasie anregenden Kalksteinlandschaften. Ein weiterer Höhepunkt der achttägigen Reise war für alle der Ausflug ins Altvatergebirge. Die verträumte Mittelgebirgslandschaft mit ausgedehnten Wäldern lud zur Wanderung zum „Heidebrünnel“ ein, einer früher berühmten Wallfahrerkapelle. Emmi Hämel aus Würzburg konnte sich noch gut daran erinnern, dass sie in ihrer Kindheit oft mit den Eltern dorthin gewandert ist.

Der Kurort Bad Gräfenberg (Lázně Jeseník), begründet von „Wasserdoktor“ Vinzenz Prießnitz, begeisterte mit dem Charme der Jahrhundertwende und herrlichen Ausblicken aufs Altvatergebirge.
 
Acht intensive Reisetage lagen am 3. Oktober hinter der Gruppe. Wolfgang und Renate Bauer aus Veitshöchheim fassten ihre Eindrücke am Ende so zusammen: „Die vielseitigen und vielschichtigen Inhalte der Begegnungsreise waren für uns eine große Bereicherung. ‚ Vítáme Vás’ (tschechisch ‚Herzlich Willkommen’) war bei allen Treffen mit den tschechischen Gastgebern zu spüren. Besonders beeindruckt hat uns die herausragende Reiseleitung von Dr. Křίžek. Erfreulich war auch die Harmonie in der Gruppe.“