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31.07.2018

Fachkräfte tauschten sich über die Wichtigkeit einer kultursensiblen Gesundheit aus

Speziell die Versorgung von Geflüchteten und Asylsuchenden erfordert neben medizinischen Fachkenntnissen auch kultursensibles Einfühlungsvermögen.

Hier setzte der Fachtag „Kultursensible Gesundheit“ im Universitätsklinikum Würzburg an, zu welchem zahlreiche Akteure unterschiedlicher Professionen aus ganz Unterfranken erschienen. Neben der kultursensiblen Wissensvermittlung erfolgte auch ein Austausch der Akteure im professionellen Umgang mit Patienten um Handlungsbedarfe zu definieren.

In seiner Begrüßung ging der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Würzburg, Prof. Dr. Georg Ertl, auf die vielfältigen Herausforderungen in der gesundheitlichen Versorgung von Migranten ein und erläuterte, welche Maßnahmen sein Haus diesbezüglich bereits unternommen hat. So wurde u. a. eine Interdisziplinäre Flüchtlingskommission am Uniklinikum eingerichtet, ein Dolmetscherpool sowie 2017 als Pilotprojekt ein Video-Dolmetscherdienst, der künftig ausgebaut werden soll. Da aber nicht nur die Sprache eine Barriere darstellt, sondern auch die andere Kultur, hat das UKW Anfang 2016 eine zentrale Koordinierungsstelle für Asylbewerber und Flüchtlinge eingerichtet, die im weiteren Verlauf von deren Leiterin, Mirfat Assi, vorgestellt wurde.

Verständniskultur schaffen

Mirfat Assi berichtete über die Erfahrungen im kultursensiblen Umgang mit Flüchtlingen am Uniklinikum Würzburg. So sollte z. B. die medizinische und pflegerische Behandlung muslimischer Patienten, wenn erwünscht und organisatorisch durchführbar, von Ärzten und Pflegepersonal desselben Geschlechts durchgeführt werden. „Unser Ziel ist es, an der Uniklinik in Würzburg eine „Verständniskultur“ zu schaffen, die von allen gelebt wird und mit den Werten der westlichen Gesellschaft vereinbar ist,“ so Assi im Ende ihres Vortrages.

Zuvor erläuterte bereits Elisabeth Wesselman, Fachreferentin für interkulturelle Versorgung im Gesundheitswesen, dass Kultursensibilität im Gesundheitswesen nicht nur auf Asylsuchende und Geflüchtete fokussiert sein sollte, sondern auf Migration allgemein, da die Zugangsbarrieren für alle Gruppen mit Migrationshintergrund gleich sind. Als besondere Herausforderungen im Umgang mit Menschen mit Migrationshintergrund nannte sie u. a. die Kommunikation, das Krankheitsverhalten und das Krankheitsverständnis, Rassismus und Diskriminierung in allen Formen sowie die Sprache.

Als mögliche Lösungswege nannte Wesselman die interkulturelle Öffnung, bei welcher bestehende Strukturen auf Ausgrenzungsmechanismen hin untersucht werden und in der Ziele und Maßnahmen zur Beseitigung dieser Mechanismen entwickelt werden. Dabei benötigt es mehr muttersprachliche Informations- und Präventionsangebote und eine stärkere Einbindung von (internen und externen) Migranten bei der Erarbeitung von neuen Maßnahmen.  

Abgerundet wurde der erste Teil des Fachtages durch die praktische Sicht einer Betroffenen auf das deutsche Gesundheitswesen. Mit ihrem eindrucksvollen persönlichen Erfahrungsbericht sprach die vor zwölf Jahren aus Kenia nach Deutschland gekommene Frau über die Schwierigkeiten, welche ihr vor Ort begegneten und was ihr half, diese zu überwinden.

Im zweiten Teil lieferten in drei parallelen Workshops fachkundige Referenten einen kurzen Input-Vortrag mit praktischen Beispielen zu den jeweiligen Themenfeldern.

Prof. Dr. August Stich stellte im Workshop „Kurativ“ die Migrantenmedizin am Klinikum Würzburg Mitte, Standort Missioklinik, vor. Er stellte fest, dass Patienten mit Migrationshintergrund in Zukunft im kurativen Bereich (stationär wie ambulant) einen wachsenden Raum einnehmen werden. Jedoch stoßen die Behandlungsansätze im Umgang mit Asylsuchenden immer wieder an ihre Grenzen, da diese durch eine zunehmend restriktive Auslegung der Rahmenbedingungen (AsylblG) gesetzt werden.

Im Workshop „Präventiv“ berichteten Hermine Seelmann sowie Kadriye Akdeniz als Standortkoordinatorin über das Projekt „MiMi – Mit Migranten für Migranten“, welches 2015 mit dem Europäischen Gesundheitspreis ausgezeichnet wurde. Dabei informieren ausgebildete Gesundheitsmediatoren andere Migranten u. a. über das deutsche Gesundheitssystem, Impfschutz, Diabetes und seelische Gesundheit. In Würzburg konnten damit in den Jahren 2016 - 2018 insgesamt 403 Personen aus 34 Ländern in 24 Veranstaltungen erreicht werden.

Dr. Susanne Schwalgin von Handicap International e. V. berichtet im Workshop „Rehabilitativ“ über die Besonderheiten in der gesundheitlichen Versorgung von Geflüchteten mit Behinderungen. Neben allgemein fehlenden spezifischen Angeboten für diese Zielgruppe stellen die Sprache und der Zugang zum System der Behindertenhilfe für diese Zielgruppe die größten Barrieren dar. Daher plädierte sie für die Berücksichtigung der spezifischen Bedarfe von Menschen mit Behinderung bei den Integrationsangeboten für Geflüchtete.

Nach den jeweiligen Vorträgen tauschten sich die Teilnehmer in den Workshops zu der Frage aus, welche speziellen Unterstützungsbedarfe sie konkret in ihrer alltäglichen Arbeit haben. Übergreifend wurde insbesondere der Bedarf an geschulten Dolmetschern, das Einbinden der Kostenträger und die Übertragung erfolgreicher Projekte in den ländlichen Raum genannt.

Die Gesundheitsregionplus Stadt und Landkreis Würzburg veranstaltete den Fachtag in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Würzburg, dem Klinikum Würzburg Mitte (Missionsärztliches Institut Würzburg), dem Gesundheitsamt Stadt und Landkreis Würzburg sowie dem Gesundheitsprojekt MiMi (Mit Migranten für Migranten, Standort Würzburg) und mit fachlicher Unterstützung der Regierung von Unterfranken.

Alle genannten Bedarfe werden nun in der AG Migration der Gesundheitsregionplus vorgestellt und nach einem Priorisierungsprozess bearbeitet.

Nähere Informationen zum Fachtag und der AG Migration gibt es unter www.gesundheitsregionplus-wuerzburg.de oder beim Geschäftsstellenleiter der Gesundheitsregionplus Stadt und Landkreis Würzburg, Christian Kretzschmann, Tel. 0931 8003-662, E-Mail: c.kretzschmann@lra-wue.bayern.de.