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02.08.2024

Kreistagsbeschluss zugunsten der »Option«: Landkreis Würzburg bleibt eigenständiger Träger des Jobcenters

In seiner jüngsten Sitzung hat der Kreistag des Landkreises Würzburg eine richtungsweisende Entscheidung getroffen: Der Landkreis Würzburg behält seine Zulassung als kommunaler Träger des Jobcenters. Die Entscheidung wurde nach mehreren harten Debatten mehrheitlich getroffen.

Vorangegangen war dem Beschluss ein Antrag der SPD-Fraktion: Die Kreisrätinnen und Kreisräte hatten eine Prüfung des aktuellen Organisationsmodells und den Ausstieg aus der rein kommunalen Trägerschaft des Jobcenters im Landkreis Würzburg gefordert. Alternativ wäre die Aufgabe in einer gemeinsamen Einrichtung mit der Bundesagentur für Arbeit zu organisieren. Hintergrund der Forderung war der angespannte Kreishaushalt und eine mögliche finanzielle Entlastung durch den Modell-Wechsel.

Unabhängig vom Trägermodell: Bund und Kommune teilen sich die Kosten

Zur Klärung dieser Frage folgten eingehende Beratungen des Sozialausschusses und des Kreistags, bei denen beide Organisationsmodelle vorgestellt wurden. Externe Berater wie der Leiter der Abteilung Soziales, Gesundheit und Krankenhauswesen beim Bayerischen Landkreistag Dr. Klaus Schulenburg sowie der Leiter der Agentur für Arbeit Würzburg Stefan Beil wurden im Zuge dessen gehört. Der Vorsitzende Richter am Sozialgericht Würzburg Jonathan Hohmann berichtete von seinen Erfahrungen aus der Praxis.

Die Leitung des Jobcenters legte den Kreisrätinnen und Kreisräten die relevanten Zahlen vor und stand für Fragen zur Verfügung. In beiden Modellen übernimmt der Bund die Kosten für das Bürgergeld und für die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit. Die kommunalen Leistungen, welche der Landkreis Würzburg in beiden Modellen selbst zu tragen hat, beinhalten unter anderem die Kosten für die Unterkunft, Bildung und Teilhabe, Erstausstattung für Wohnung sowie bei Schwangerschaft und Geburt und die Betreuung minderjähriger Kinder, die Pflege von Angehörigen und psychosoziale Betreuung. Hierbei beteiligt sich der Bund aktuell mit 69,5 Prozent an den Leistungen für die Unterkunft. Des Weiteren beträgt der Finanzierungsanteil des Bundes an den Gesamtverwaltungskosten des Jobcenters 84,8 Prozent, sodass auf den Landkreis noch ein kommunaler Finanzierungsanteil von 15,2 Prozent entfällt.

Vorteile für eigenständige Trägerschaft überwiegen aus Sicht der Verwaltung

Im Ergebnis war schließlich die Mehrheit der Kreistagsmitglieder davon überzeugt, dass das Jobcenter wie bisher eigenständig durch den Landkreis fortgeführt werden soll. In der Sitzung wurde noch einmal klar formuliert: Da sich der Landkreis auch unter der Trägerschaft der Agentur für Arbeit an der Organisation und personellen Ausstattung des Jobcenters beteiligten muss, würden aus der Rückgabe der „Option“ keine finanziellen Vorteile resultieren.

Die Vorteile der bestehenden Organisationsform sind allerdings aus Sicht der Verwaltung deutlich: Eigenständiges Handeln unabhängig von einer Bundesbehörde sowie die über die fast zwei Jahrzehnte gewachsene Vernetzung der Mitarbeitenden und die „kurzen Wege“ innerhalb des Landratsamtes etwa zum Ausländeramt oder dem Jugendamt des Landkreises seien wichtige Merkmale der aktuellen Arbeit – und damit gute Gründe, die eigenständige Trägerschaft beizubehalten.

Gerade der Krieg in der Ukraine und der Rechtskreiswechsel der Flüchtlinge zum Juni 2022 hat die Leistungsfähigkeit des Jobcenters im Landkreis Würzburg unter Beweis gestellt. Das Jobcenter betreut seit dieser Zeit zusätzlich knapp 500 Bedarfsgemeinschaften mit 110 Kindern im Alter zwischen 15 bis 25 Jahren und insgesamt 618 erwerbsfähige Leistungsberechtigte.

Jobcenter im Landkreis seit Gründung vor fast 20 Jahren in kommunaler Trägerschaft

In Deutschland gibt es insgesamt zwei große Modelle für die Organisation der Jobcenter. Eine Möglichkeit ist die Organisation in einer gemeinsamen Einrichtung (gE) mit der Agentur für Arbeit. „Optional“ können Landkreise und kreisfreie Städte die Jobcenter jedoch auch in Eigenverantwortung als zugelassene kommunale Träger organisieren. Der Bundesgesetzgeber hat die gesetzliche Grundlage für die Gründung der Jobcenter im Jahr 2004 geschaffen – und im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung zwei Modelle zur Verfügung gestellt.

Auf einen Beschluss des Würzburger Kreistags hin wurde das Jobcenter im Landkreis Würzburg im Jahr 2005 unter Landrat Waldemar Zorn in alleiniger kommunaler Trägerschaft gegründet. In Unterfranken hat dieses Modell neben dem Landkreis Würzburg auch die Stadt Schweinfurt gewählt. In ganz Deutschland gehen rund ein Viertel aller Kreisverwaltungsbehörden diesen Weg.

Maßgeschneiderte Lösungen für die Menschen vor Ort

Durch die Beibehaltung der kommunalen Trägerschaft wird nun sichergestellt, dass die spezifischen Bedürfnisse und Anliegen der regionalen Bevölkerung weiterhin direkt und kompetent adressiert werden. Diese Nähe zur Bevölkerung, die Zusammenarbeit und Vernetzung mit der Stadt Würzburg und die langjährige Erfahrung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermöglichen es, maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln und umzusetzen, die den Menschen vor Ort helfen.

Landrat Thomas Eberth machte sich mit Nachdruck für den Verbleib des Jobcenters in kommunaler Hand stark und freut sich über die Entscheidung des Kreistags: „Unsere engagierten Kolleginnen und Kollegen leisten einen äußerst wichtigen Dienst für die Menschen in der Region und haben nicht zuletzt in der Ukraine-Krise bewiesen, wie leistungsfähig sie sind. Ich weiß, dass die Zeit der Ungewissheit über die eigene berufliche Zukunft aufgrund dieses Antrags für die Mitarbeitenden im Jobcenter nicht einfach war. Dennoch haben sie weiterhin ihr Bestes gegeben für die Menschen im Landkreis Würzburg. Dafür bin ich sehr dankbar und freue mich auf die weitere gemeinsame, gute und erfolgreiche Zusammenarbeit“, erklärte er.