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11.06.2018

Landrat Eberhard Nuß überreicht die 6.000 Ehrenamtskarte - Yvonne Kuhn baut in Thüngersheim Brücken zwischen den Nationen

Der Landkreis Würzburg war im Herbst 2011 einer der ersten, die die Bayerische Ehrenamtskarte an besonders aktive Ehrenamtliche ausgab. Seitdem hat sich die Ehrenamtskarte zur Erfolgsgeschichte entwickelt. Nun konnte Landrat Eberhard Nuß die 6.000ste Karte an Yvonne Kuhn von den „Brückenbauern“ aus Thüngersheim überreichen.

Der Landrat freut sich über die hohe Zahl der Ehrenamtskarten: „Das zeigt, wie engagiert die Landkreisbürgerinnen und –bürger in ganz unterschiedlichen Bereichen sind, und wir können mit der Ehrenamtskarte unsere Wertschätzung zum Ausdruck bringen.“

Die Inhaber der Ehrenamtskarten genießen zahlreiche Vorteile bei den über 100 Akzeptanzpartnern im Landkreis. Das geht von Einkaufsprozenten bei Einzelhändlern über freie oder vergünstigte Eintritte in Museen oder Schwimmbädern bis zum VVM-Ehrenamtsticket. Viele weitere Vorteile gibt es in ganz Bayern.


Interview mit Yvonne Kuhn, „Die Brückenbauer“, Thüngersheim

Beim Empfang für Yvonne Kuhn, die beim Helferkreis „Die Brückenbauer“ engagiert ist, sprach Freiwilligenmanagerin Kerstin Gressel mit der Thüngersheimerin über ihren ehrenamtlichen Einsatz und ihre Motivation.

Wie lange engagieren Sie sich schon für die Brückenbauer?

Ich bin Gründungsmitglied der Brückenbauer Thüngersheim. Wir haben den Helferkreis im September 2015 aufgebaut. Anlass war die Eröffnung einer Jugendhilfeeinrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Thüngersheim. Unser Ziel war es, eine Willkommenskultur für die 14 Jugendlichen zu schaffen und eine Brücke zur Thüngersheimer Bevölkerung zu schlagen,  um Vorbehalte und Ängste zu verringern. Mittlerweile betreuen wir auch einige syrische, indische und ukrainische Familien, die in einer dezentralen Unterkunft des Landkreises wohnen oder private Wohnungen anmieten konnten.

Was machen Sie konkret?

Konkret unterstütze ich besonders eine sechsköpfige syrische Familie bei allen Herausforderungen des Alltags, etwa bei Antragsstellungen, behördlichen Angelegenheiten, Sprachkurssuche, Kontakt mit Kindergarten und Schule, gesundheitlichen Problemen, Wohnungsangelegenheiten und Freizeitgestaltung.

Außerdem bin ich Ansprechpartnerin für die weiteren neun Bewohner der dezentralen Unterkunft. Aus Zeitgründen versuche ich die Anliegen der anderen Hausbewohner auch an andere Brückenbauer abzugeben. Für einen Hausbewohner konnte ich eine Anstellung bei unserem ortansässigen Gärtner organisieren.

Ich leite auch das Organisationsteam des "Café International", das wir 2016 gegründet haben. Einmal im Monat gibt es hier die Gelegenheit, sich bei Kaffee,  Kuchen und Spezialitäten aus den Ländern unserer Café-Besucher zu begegnen und die Scheu voreinander zu verlieren. Als Brücke, um in Kontakt zu kommen, dienen uns Gesellschaftsspiele, das gemeinsame Feiern von Festen wie Weihnachten,  Geburtstagen, Newroz u.a., Musik und gemeinsamer Tanz. Für die Kinder haben wir immer ein Spiel- oder Bastelangebot. Inzwischen kommen bis zu 50 Besucher ins „Café International“.

Waren Sie schon vorher ehrenamtlich engagiert?

Im Asylbereich habe ich 2016 bei "Veitshöchheim hilft" mitgearbeitet und Sprachkurse gehalten sowie Menschen bei der Wohnungssuche unterstützt. Im kirchlichen Ehrenamt bin ich seit 2011 als Musikerin bei einer Kirchenband aktiv.

Was hat Sie motiviert, sich im Asylbereich zu engagieren?

Das nicht mehr zu ertragende Gefühl der Machtlosigkeit, mit der man den Meldungen von Krieg, Gewalt, Not, Verfolgung und Tod im Jahr 2015 ausgesetzt war - und ja auch heute immer noch ist. Die Flucht vieler Menschen nach Deutschland brachte die Möglichkeit mit sich, endlich aktiv zu werden. Nicht mehr nur zuzuschauen, sondern seinen Teil dazu beizutragen, dass die Not für die Menschen hier bei uns erstmal ein Ende nimmt.

Was macht Ihnen besonders viel Spaß an Ihrem Ehrenamt?

Besonders glücklich macht mich heute bei den Brückenbauern der Kontakt zu Menschen dieser bisher mir fremden Kulturen. Herauszufinden, was erstaunlich anders und was erstaunlich ähnlich ist, ist immer wieder wie eine spannende Reise in ferne Länder. Und das sozusagen vor der eigenen Haustüre!

Aus Hilfesuchender-Helfer-Beziehungen wachsen Freundschaften und für beide Seiten erweitert sich der Horizont. Man bekommt eine offene Einstellung zum  Anderssein anderer Menschen und deren Art zu leben. Man entwickelt Verständnis und Toleranz für Gewohnheiten, die erstmal fremd sind - ja, das ein oder andere schaut man sich sogar ab! Und das passiert auf beiden Seiten, ohne erhobenen Zeigefinger, es geschieht einfach.
 

Was sind die Herausforderungen bei Ihrem Engagement?

Die Herausforderung im Ehrenamt mit Geflüchteten sind für mich die nicht ganz einfachen Rahmenbedingungen: Sei es von politischer Seite die Unsicherheiten der Bleibeperspektive für die Familien auszuhalten, die Anforderungen des deutschen Verwaltungssystems zu erfüllen oder mit den nicht immer positiven Haltungen von Mitmenschen gegenüber Geflüchteten umzugehen. Letzteres macht besonders die Wohnungssuche sehr schwierig.

Auch die Nachrichten aus der Heimat sind oft vom Schrecken des Kriegs geprägt. Die Menschen, die die Flucht geschafft haben, haben wenig Möglichkeiten, ihre Verwandten zu unterstützen. Ehrenamt ist auch Herzensarbeit und man fühlt und leidet mit.

Warum sollen sich Menschen in Bereich Flüchtlingshilfe engagieren?

Wir im Ehrenamt Asyl machen die Erfahrung, dass sich mit der Zeit immer weniger Menschen für diesen Personenkreis engagieren. Viele Hilfen wurden mittlerweile auch von professioneller Seite durch Beratungsstellen oder andere Angebote der sozialen Arbeit übernommen und die Ehrenamtsarbeit wird hier vermeintlich immer weniger gebraucht.

Was jedoch keine Beratungsstelle leisten kann ist, den Menschen ganz persönlich und privat Zeit zu widmen und sich gegenseitigen am Leben teilhaben zu lassen. Der Weg ist oft nicht weit. Wir haben mittlerweile alle in unserer Nähe Menschen aus anderen Kulturkreisen wohnen. Es lohnt sich, offen aufeinander zuzugehen. Man lernt viel über sich und andere.

Nähere Informationen, wer eine Ehrenamtskarte beantragen kann und welche Vorteile sich daraus ergeben, finden Sie direkt unter landkreis-wuerzburg.de/ehrenamtskarte oder bei Freiwilligenmanagerin Kerstin Gressel, Tel. 0931 8003-448, Mail k.gressel@lra-wue.bayern.de.