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24.05.2023

Schwanger und niemand darf es wissen? Wie das Netzwerk »Vertrauliche Geburt« geschützte und sichere Entbindungen ermöglicht

Frauen, die ungewollt schwanger werden und aus einer Notsituation heraus geheim halten möchten, dass sie ein Kind erwarten, haben seit 2014 die Möglichkeit, vertraulich zu entbinden. Die Mutter muss ihre Identität bei der Geburt nicht preisgeben, erhält aber während der Schwangerschaft medizinische Betreuung und kann das Kind sicher in einer Klinik oder bei einer Hebamme zur Welt bringen.

Zentrale Anlaufstellen für betroffene Frauen sind die Schwangerschaftsberatungsstellen. Sie begleiten und beraten die Schwangere im gesamten Verfahren der vertraulichen Geburt. Im Raum Würzburg haben sich die Beratungsstellen an den Landratsämtern Main-Spessart und Würzburg, im Evangelischen Beratungszentrum (EZB) der Diakonie, die Katholische Beratungsstelle beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) und pro familia zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Die Verantwortung für die Umsetzung einer vertraulichen Geburt teilen sie jedoch noch mit anderen Akteuren: mit Frauenärztinnen und -ärzten, Hebammen, Kliniken, Standes- und Jugendämtern, Adoptionsstellen und Familiengerichten.  Auch Stellen, die nur am Rande beteiligt sind – wie etwa Krankentransporte – müssen für die besonderen Umstände einer vertraulichen Geburt sensibilisiert werden.

Viele Partner – ein Ziel: Mutter und Kind schützen

Damit zum Wohle von Mutter und Kind alle Beteiligten reibungslos zusammenarbeiten, hat die Arbeitsgemeinschaft der Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen in Würzburg zum zweiten Mal zu einem Netzwerktreffen ins Landratsamt Würzburg eingeladen. Beim Erfahrungsaustausch und Auffrischen der rechtlichen Vorgaben lernten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer persönlich kennen.

Bei einer vertraulichen Geburt meldet sich die Schwangere in einer Geburtsklinik oder bei einer Hebamme mit einem selbstgewählten Pseudonym an. Nur der Beratungsstelle ist der wahre Name bekannt. Damit die Identität der Frau geschützt bleibt, wird ihre Versichertenkarte zu keinem Zeitpunkt eingelesen. Die Abrechnung erfolgt nach der Entbindung über das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Köln.

Auch wenn die Frau während der Schwangerschaft nicht den Kontakt zu einer Beratungsstelle gesucht hat, kann eine vertrauliche Geburt dennoch ermöglicht werden. Geht sie zur Entbindung direkt in die Klinik, wird von dort aus eine qualifizierte Schwangerschaftsberaterin verständigt. Denn nur die Schwangerenberatungsstellen sind berechtigt, den sogenannten Herkunftsnachweis mit den persönlichen Daten der Frau zu erstellen.
Nimmt die Frau erst unmittelbar vor der Entbindung ihr Recht auf vertrauliche Geburt wahr, muss das Klinikpersonal entsprechend auf die Situation vorbereitet sein. Beim lokalen Netzwerktreffen ging es deshalb auch darum, das Wissen um die gesetzlichen Bestimmungen in Erinnerung zu bringen.

Das Recht zu wissen, wer die leibliche Mutter ist

Anders als bei einer anonymen Geburt hat das Kind ab seinem 16. Geburtstag das Recht, mehr über seine Mutter zu erfahren. Gegenüber der Beratungsstelle offenbart die Schwangere daher ihre Identität. Wenn sie möchte, kann sie dem Kind auch ein Kuscheltier mitgeben und einen persönlichen Brief schreiben, der zusammen mit den Daten der Frau aufbewahrt wird. Sprechen wichtige schutzwürdige Gründe gegen eine Offenlegung der Identität, kann die Mutter allerdings auch 16 Jahre nach der Geburt weiterhin auf ihrer Anonymität bestehen.

Anonyme Kindsabgaben rückläufig

Seit Einführung der vertraulichen Geburt kann bundesweit beobachtet werden, dass die Zahl der anonymen Kindsabgaben gesunken ist. Absolut gesehen bleibt die Zahl der vertraulichen Geburten aber überschaubar. In Unterfranken nutzten im vorvergangenen Jahr vier Frauen die rechtlich abgesicherte Möglichkeit der geschützten Geburt. Bundesweit sind es rund 110 Fälle jährlich.  Hat der Gesetzgeber also sein Ziel verfehlt? Nein, da sind sich die Würzburger Beratungsstellen für Schwangerschaftsfragen einig. Denn jede vertrauliche Geburt ist gegenüber einer anonymen Abgabe ein Gewinn: nicht nur wegen der medizinischen Begleitung, sondern auch, weil dem Kind die Chance gegeben wird, später seine Herkunft zu erfahren. Entscheidet sich die Mutter im ersten Jahr nach der Geburt anders, kann sie zudem die Rücknahme der Adoptionsfreigabe beantragen.

Hilfetelefon „Schwangere in Not“

Für Schwangere in Konfliktsituationen gibt es deutschlandweit das kostenlose und barrierefreie 24-Stunden-Hilfetelefon mit mehrsprachiger Beratung unter 0800-4040020. Auch Angehörige, Ehrenamtliche oder Fachkräfte können sind an die Hotline wenden.

Weitere Informationen unter www.hilfetelefon-schwangere.de