Seiteninhalt

26.11.2021

Weidetierzüchter suchen neue Wege der Vermarktung
Regional denken - regional (ver)kaufen

Corona hat auch seine guten Seiten, findet Milchschafzüchter Michael Kämmer aus Ochsenfurt. Die Verbraucher würden wieder vermehrt auf gute und nachhaltig produzierte Lebensmittel zurückgreifen. Das bestätigten auch seine Kollegen und Kolleginnen beim Weidestammtisch in Reichenberg. Dieser lockere Zusammenschluss von Weidetierhaltern aus der Region besteht nun schon seit mehreren Jahren und hat sich stetig fortentwickelt. Auch Landrat Thomas Eberth informierte sich mit einigen Mitarbeitern über die aktuelle Situation der Weidetierhalter.

Ziel des Zusammenschlusses ist es, unter dem Logo „MainWeideGenuss“ die Weidetierhalter bei der Vermarktung von regional erzeugten Produkten zu unterstützen. Derzeit werden regionale Produkte meist im Eigenverkauf über Hofläden angeboten. Online-Shops sollen die Produkte dem Verbraucher über lokale Abholstellen leichter zugänglich machen. Die Nachfrage ist in den letzten beiden Jahren stark gestiegen, so die Erfahrung von Michael Kämmer.

Dabei wird immer noch zu viel Fleisch über viel zu weite Strecken transportiert. Bei Lämmern beträgt die Transportweite bis zu 1500 Kilometer, verdeutlichte Kämmer das Problem. Bei Rindern oder Schweinen sei es nicht viel besser. Außerdem sei Deutschland nicht in der Lage, seinen Fleischkonsum über das ganze Jahr selbstdeckend zu produzieren. Seit dem 17. November wäre Deutschland rein rechnerisch unfähig, sich selbst zu versorgen, so Kämmer. Nur bei Schweinefleisch werden mehr Mengen produziert als in Deutschland verbraucht werden. Alle anderen Tierarten, sogar Wildfleisch, muss importiert werden.

Zu weite Wege zu den Schlachtstätten

Erschwerend komme hinzu, dass mittlerweile 80 Prozent der Schlachtstätten in Deutschland geschlossen wurden, aus verschiedensten Gründen. Das erzeugt für die Tiere durch lange Transportwege zusätzlichen Stress, der nicht sein müsste, wenn es wieder die Weideschlachtung oder regional tätige mobile Schlachtereien sowie regionale Metzgereien geben würde. Natürlich, so die Weidehalter, kann das nur funktionieren, wenn die Tiere auch auf Weiden stehen und nicht ein Leben im Stall verbringen. Da hat sich allerdings in den letzten Jahren auch ein Wandel vollzogen, so ein konventioneller Rinderzüchter beim Weidestammtisch. Trotz gestiegener Produktionskosten und weniger Erlöse werde in seinem Betrieb versucht, die Tiere so naturnah wie möglich zu halten. Offene Ställe und ein Bewegungssystem für die Tiere gehören für ihn dazu. Der Einsatz von Medikamenten sei in seinem Betrieb auf ein Minimum zurückgefahren worden.

Landschaftspflegeverband, Naturschutzbehörde und Veterinäramt beraten und unterstützen

Dankbar für die Weidehaltung ist der Landschaftspflegeverband. Durch den Einsatz von Viehherden, egal ob Schafe, Ziegen oder Rinder und Pferde werde die Kulturlandschaft erhalten und gepflegt und somit für die Nachwelt erhalten. Den Einsatz von mobilen Schlachtungen befürwortet man auch von dieser Seite aus. Christiane Brandt vom Landschaftspflegeverband, dort tätig als Gebietsbetreuerin Muschelkalk, sagte, dass es „nicht darum geht, die Uhren 200 Jahre zurückzustellen, sondern nach vorne zu schauen“.

Einen Aspekt brachte Erhard Heinle von der Naturschutzbehörde des Landkreises Würzburg und selbst Schafhalter ins Spiel. Der Landkreis will zum Beispiel den Erhalt und Pflege von Streuobstwiesen fördern und da sei es besonders wichtig, dass der Boden unter den Bäumen auch regelmäßig gepflegt werden. Das geschehe mit Tieren wesentlich effektiver als mit Maschinen. Das Umweltamt organisiert und fördert die naturverträgliche Landschaftspflege mit Weidetieren und gelegentlich auch die notwendigen Freistellungen und berät entsprechend. Natürlich erfordert dieses Vorgehen landwirtschaftliche Weidetierhalter als Partner, die ihre Tiere betriebsnah schlachten und regional vermarkten können.

Welche Hindernisse zu nehmen sind, erläuterte Dr. Leonard Glück vom Veterinäramt des Landkreises Würzburg. Er sieht auch, dass durch die verschärften Regelungen der EU die kleinen Schlachtereien zunehmend aussterben werden. Glück wies darauf hin, dass das EU-Recht nicht auf kleine Betriebe ausgelegt ist, man aber dezentral versucht, so viele Regelungen wie möglich positiv für den Kunden auszulegen. Der allseits gepriesene Weideschuss, bei dem die Tiere direkt auf der Weide, auf der sie sonst grasen, getötet werden, dürfe allerdings nur angewendet werden, wenn die Herde das ganze Jahr auf der Weide steht. Besser seien mobile Schlachtungen mit einem speziell dafür umgebauten Anhänger, wie es schon von mehreren Betrieben praktiziert wird. Er bot die Hilfe des Veterinäramtes an, falls es Fragen zu diesem und anderen Themen gibt.

Landkreis will Ökomodellregion werden – regionale Produkte im Fokus

Landrat Thomas Eberth lobte den Einsatz seiner Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Vor allem, dass das Veterinäramt nicht nur überwachend, sondern auch beratend tätig ist, sei ihm wichtig. Der gesamte Landkreis Würzburg will in Kürze Ökomodellregion werden, ähnlich wie es schon die Allianz Waldsassengau im Würzburger Westen ist oder der Nachbarlandkreis Main-Tauber in Baden-Württemberg. Der Kreistag habe grünes Licht gegeben und die entsprechenden Fachbehörden, inklusive der Kreisentwicklung mit Referatsleiter Michael Dröse an der Spitze, arbeiten mit Hochdruck an der Verwirklichung dieser Pläne. „Ich würde mich freuen, wenn wir uns als Landkreis in die Diskussion mit einbringen könnten“, so der Landrat. Wichtig sei auch, die Bevölkerung zu informieren, um so die Wertigkeit und Wertschätzung für regional erzeugte Produkte zu steigern. „Bei uns im Landkreis kann das funktionieren, weil wir klein sind, in Großstädten habe ich da so meine Bedenken“, hofft Eberth. Gemeinsam mit den landwirtschaftlich Tätigen will das Landratsamt die Verbraucher überzeugen, dass vor Ort erzeugte Lebensmittel die bessere Alternative sind. Er kann sich beispielsweise einen „Ökobus“ vorstellen, in dem regional erzeugte Produkte direkt an Endverbraucher verkauft werden.

Natürlich müssen auch die Absatzmärkte gestärkt werden, sagte Michael Kämmer. Neue Produkte, wie ein Universaldünger aus Schafwolle für den umweltbewussten Gartenfreund sind dabei nur der Anfang einer eigenen Produktlinie für Schafwolle. Viele weitere Ideen müssten folgen, damit die Tiere ganzheitlich verarbeitet werden können. Dies spiegelt auch in 2021 die unerwartet starke Nachfrage zum biologischen Pflanzendünger „Pflanzenwollpower“.

Theresa Bäuml vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bot ebenfalls Hilfe an, um Produkte das ganze Jahr über zu vermarkten und so die Wertschöpfung in der Region zu halten. Es gäbe schon mehrere Kooperativen in anderen Regierungsbezirken. Hier könne man sich Anregungen und Erfahrungen holen. „Der Verbraucher ist der Schlüssel zum Erfolg“, mahnte sie, den Fokus auf die Kundinnen und Kunden zu richten. Diese zu überzeugen, dass man für gute, regionale Produkte auch etwas mehr zahlen soll, wird die größte Hürde werden, waren sich alle Anwesenden sicher. Aber man will den Weg gerne gehen und damit Gutes für die Region und ihre reiche Natur tun.