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09.03.2017

Ausstellung "Flucht - Frauen und Migration" - von Frauen mit Würde und der Neugier des Landrats

Er wünsche sich, dass möglichst viele Menschen die Bilder sehen, die zugehörigen Filmabende besuchen und dabei miteinander ins Gespräch kommen. Mit diesen Worten eröffnete Landrat Eberhard Nuß die neue Ausstellung im Landratsamt. „Auf der Flucht - Frauen und Migration“ ist das Thema der eindrucksvollen Fotografien, die noch bis 24. März im Foyer im ersten Stock des Landratsamtes zu sehen sind.

Neun Fotografinnen und Fotografen sind Urheber der eindringlichen Bilder vom Alltag in Flüchtlingslagern und dem vorübergehenden Zuhause von Betroffenen. Gabriele Rottmann-Heidenreich, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises, und ihre Kollegin Mara Röllinger, kommunale Bildungskoordinatorin für Neuzugewanderte, haben die Wanderausstellung des evangelischen Presseverbandes für Bayern e.V. ins Landratsamt geholt.

Auf die Fotos war der Landrat so neugierig gewesen, verriet er, „auch weil mich das Thema persönlich interessiert“, dass er am Tag der Eröffnung eine Pause nutzte, um sie sich im Vorfeld in aller Ruhe anzusehen. „Was ich gesehen habe, hat mich tief beeindruckt“, so sein Geständnis.

Menschen auf der Flucht sind überwiegend Männer. Wenn dieser Eindruck in unserem Land entstehe, so sei er schlicht falsch. Mit dieser Feststellung begrüßte Nuß am Weltfrauentag die rund 60 Gäste. Tatsächlich seien weltweit über drei Viertel aller Flüchtlinge Frauen und Kinder. Die meisten von ihnen schafften es allerdings nicht bis Europa, sondern ihre Flucht ende bereits in den Flüchtlingslagern der Nachbarländer. Dort, so Nuß, seien sie nicht selten Hunger, Krankheiten, sexuellen Übergriffen oder gar dem Tod ausgesetzt. Im Landkreis Würzburg, ergänzte er, seien 362 weiblich und damit etwa ein Drittel der Asylsuchenden. Sie bräuchten besondere Aufmerksamkeit und Schutz.

Ergänzt wird das Thema der Ausstellung durch verschiedene Filme. Den ersten davon, den Kurzfilm „Flucht ist auch weiblich“, produziert vom bayerischen Landesverband des Katholischen Frauenbund (KDFB), gab es bei der Vernissage zu sehen. Das fünfminütige Video greift in ruhigen, positiven Bildern ein grausames, frauenspezifisches Fluchtthema auf: die Zwangsbeschneidung von Frauen und Mädchen. Man wolle, erläuterte Karin Post-Ochel, Vorsitzende des Bildungswerkes KDFB, dass der Film ein möglichst breites Publikum erreiche, um die spezifisch weiblichen Fluchtgründe stärker ins Bewusstsein zu rücken

Trotz der Kürze und seiner wenig spektakulären Bilder ist der Film nur schwer erträglich. Er macht deutlich, dass Frauen, die den Mut aufbringen, ihre Heimat und alles Vertraute zu verlassen, um ihren Töchtern die extrem gesundheitsschädliche Prozedur der Beschneidung (oder der Zwangsheirat im Kindesalter) zu ersparen, neuem Druck ausgesetzt sind. Neben finanzieller Not und Alleingelassen-Sein, vor allem der lähmenden Angst, wegen der speziellen Fluchtgründe nicht als asylberechtigt anerkannt zu werden.

Alles andere als spektakulär sind die Bilder der Ausstellung. Ihre große Eindringlichkeit ergibt sich aus dem Spannungsfeld zwischen Sichtbaren und Unsichtbarem.

Alle Mädchen und Frauen, so die stellvertretende Landrätin Karen Heußner, an diesem Tag als Frauenbeauftragte des evangelischen Dekanats unterwegs, strahlen auf den Bildern eine große Würde aus. Trotzt der armen, trostlosen Umgebung. Trotz aller Angst, Bedrohung, Sorge und den dunklen Stunden, die sie hinter sich haben, trotzen sie mit fast stoischer Ruhe und zu Herzen gehender Erhabenheit ihrem unabänderlichen Schicksal.

Wie beispielsweise Turkiye und drei ihrer vier Töchter. Nachts aus Syrien in die Türkei geflohen, als der Vater gefallen war, warten sie in erbärmlichen Verhältnissen vergeblich darauf, dass der schreckliche Krieg endet. Bald ist das Brautgeld der ältesten Schwester aufgebraucht, die mit 15 verheiratet wurde. Fatma, jetzt selbst 15, weiß, dass sie dieses Schicksal als nächste trifft.

Die Geschichte der afghanischen, syrischen und afrikanischen Frauen, so Heußner, glichen vielfach denen, die viele Menschen in unserem Land von ihren Müttern und Großmüttern ebenfalls kennen. Zuhören, unterstützen, verstehen - Solidarität von Frau zu Frau zeigen, einfach da sein. Das, so die stellvertretende Landrätin, könne bei solchen lebensprägenden Erfahrungen kein Staat, keine Institution leisten. Dazu brauche es Menschen. Engagierte Menschen, die sich persönlich einsetzen und auf andere einlassen. „Wir sind dankbar, dass so viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer bereit sind, diese persönlichen Geschichten wahrzunehmen.“ Durch ihren Einsatz, ergänzte sie, vermittelten die Ehrenamtlichen den Entwurzelten Sicherheit und Hoffnung.

Geöffnet ist die Ausstellung im Foyer des Landratsamtes (1. Stock) bis 24. März, werktags von 7.30 bis 16.30 Uhr.

Töchter des Aufbruchs

Der Film über Lebenswege von Migrantinnen läuft sechsmal - Filmflyer

Das Thema Frauen und Flucht vertieft landkreisweit zusätzlich zur Ausstellung in den nächsten Wochen ein Film. Die 80-minütige Produktion mit dem Titel „Töchter des Aufbruchs - Lebenswege von Migrantinnen“ wird insgesamt sechsmal gezeigt. Darin kommen sogenannte „Gastarbeiterinnen“ der 60er Jahre zu Wort, politische Flüchtlinge, etwa aus dem Irak oder dem Libanon sowie junge Frauen, die aus den großmütterlichen und mütterlichen Wurzeln kreative Kraft schöpfen

Mit Charme und Tiefgang erzählen die Frauen ihre Geschichten von der beharrlichen Anstrengung, Brücken zwischen den Kulturen zu bauen. Sie erinnern daran, wie sie nach Deutschland gekommen sind. Sie berichten von ihren Träumen und Visionen, teilen ihre Enttäuschungen und ihren Schmerz mit und sprechen über ihren heutigen Platz in Familie und Gesellschaft und das Alt-Werden in der neuen Heimat.

Der erste Filmabend findet am Dienstag, 14. März, um 19 Uhr im großen Sitzungssaal des Landratsamtes (Haus II) statt.

Weitere Aufführungstermine sind:

Güntersleben: Dienstag, 21. März, 19 Uhr, Lagerhaus

Rottendorf: Mittwoch, 22. März, 19 Uhr, Bücherei im Wasserschloss, Pfarrgasse 4

Kist: Dienstag, 11. April, 19 Uhr, Gemeindebücherei, Obere Dorfstraße 1

Zell: Mittwoch, 27. April, 18.30 Uhr, Katholisches Pfarrheim, Rathausplatz 1

Veitshöchheim: 17. Mai, 19.30 Uhr, Sitzungssaal im Rathaus