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40 Jahre Landkreis - 150 Jahre Bayerische Landratsämter

Festvortrag von Christian Will, MdL a.D., zum Festakt am 7. September 2012 in der Margarethenhalle in Margetshöchheim

 

Ohne Zweifel, die Stadt Würzburg ist die prachtvolle Krone unserer fränkischen Heimat. Doch rings um die Bischofsstadt sind in einer einzigartigen Vielfalt die Perlen zu bewundern, die diese Krone zieren.

Da ist die Vielfalt der Landschaft, der Ochsenfurter Gau mit seinen fruchtbaren Feldern, die Rebhänge, die aus dem Main- und Taubertal zu den Hochebenen wachsen, die Wälder von Gramschatz bis hinunter nach Röttingen und nicht zuletzt die 117 Dörfer und Städtchen, die reich sind an Sehenswürdigkeiten und zum Verweilen einladen. Es gibt in unserem Landkreis noch die unberührte Landschaft, in der wir in der Stille der Wiesen und Felder die Vogelstimmen hören und die Lerche im Frühtau ins klare Blau des wolkenlosen Himmels aufsteigen sehen können. Es gibt noch den roten Mohn in den Getreidefeldern, die Kornblume und die Wegwarte und es gibt noch am Lauf der Bäche die knorrigen Weiden.

Burgen und Schlösser, Kapellen und Kirchen mit spitzen und barocken Türmen, Feldkreuze und Bildstöcke in den Fluren und an den steilen Hängen der Weinberge erzählen uns die Geschichte und Geschichten der Heimat. Und sind wir müde von der Wanderung, so finden wir überall einladende Gastlichkeit.

Der unvergessene Landrat Dr. Fritz Wilhelm sagte im Geleitwort für das erste, 1965 erschienene Heimatbuch des Landkreises Würzburg:

"Die vorwiegend landwirtschaftliche Struktur des Landkreises prägte eine fleißige und sparsame Bevölkerung mit starkem Heimatgefühl, die sich verpflichtet weiß, die übernommenen Werte zu erhalten und zu vermehren. Kirchen, Schlösser und die vielen über Jahrhunderte erhalten gebliebenen Zeugnisse unserer Geschichte und Kultur werden sorgsamst gepflegt. Die vielen örtlichen Neubauten, Verbesserungen der gemeindlichen Einrichtungen und industriellen Ansiedlungen fügen sich ins Dorf- und Landschaftsbild harmonisch und ergänzend ein.“

 

Der Landkreis in vor- und frühgeschichtlicher Zeit

Die Geschichte unseres Landkreises beginnt schon in schriftloser Vergangenheit. Da ist der Steinbruch von Lindelbach, der uns die Urmeersohle mit seiner versteinerten Tierwelt von Fischen, Krebsen und Echsen aus einer Vergangenheit von Jahrmillionen zeigt. Da wurde einst in einer Lehmgrube von Estenfeld ein Schaber aus der Altsteinzeit gefunden, der von den ersten Siedlern oberhalb des Kürnachtales um 10.000 vor Christus berichtet.

Ungezählt sind die Funde aus der Jungsteinzeit oberhalb des Maintales. Tongefäße, reich verzierte Scherben, Webstuhlgewichte, Spinnwirteln, Getreidemahlsteine und vieles andere mehr berichten von den Wanderbauern, die einst die Hochebene von Würzburg rodeten, die Felder bewirtschafteten und ihre Gehöfte bauten, wie es uns ein verziegelter Wandbewurf aus Lehm mit Astabdrücken anschaulich zeigt.

So berichten uns Funde bei Ausgrabungen in den Dörfern rund um Würzburg, wie vor einigen tausend Jahren die ersten Ortschaften oberhalb des Flusses und der Bäche entstanden sind. Grabstätten, wie zum Beispiel ein Hockergrab, zeigen, wie damals die Toten bestattet wurden. Oder der Kesselwagen von Acholshausen, den Professor Christian Peschek auf einer Briefmarke hat abbilden lassen, zeigt wertvollstes Kulturgut aus unserer sogenannten „grauen Vorzeit“, die uns längst nicht mehr unbekannt ist.

 

Jahr 779: die Markungsbeschreibung von Karl dem Großen

Erste schriftliche Zeugen unserer Geschichte finden wir in der von Kaiser Karl dem Großen in Auftrag gegebenen Markungsbeschreibung der Stadt Würzburg, in welcher die angrenzenden Flurlagen der heutigen Stadtrandgemeinden aufgelistet sind. Diese Urkunde ist das älteste Dokument in deutscher Sprache und gleichzeitig der Nachweis dafür, dass im achten Jahrhundert die Seitentäler des Maines weitgehend gerodet und besiedelt waren.

Im gleichen Jahrhundert und insbesondere in den folgenden Jahrzehnten finden wir die ersten urkundlichen Erwähnungen der Dörfer rings um Würzburg. Beispielhaft sei hier Höchberg erwähnt, ein Dorf, für das der Heilige Burkard im Jahre 752 dem von ihm gegründeten Benediktinerkloster St. Andreas die Seelsorge von „Hügbur“ übertragen hatte.

 

1000 Jahre später: Napoleon und das Königreich „Baierischer Staat“

Max Josef I. bestieg 1799 den Thron und  beauftragte seinen Superminister Graf Maximilian von Montgelas mit der Neuordnung seines Staates.

1802/03 ordnete Monteglas ordnete aus finanziellen und weltanschaulichen Gründen in der Säkularisation die Auflösung der Klöster an. Diese radikal durchgeführte Aktion führte zu einer schmerzlichen Verarmung insbesondere in den ländlichen Gebieten ganz Bayerns.

Peter Klaus Hartmann schreibt in seinem Geschichtswerk „Bayerns Weg in die Gegenwart“ über die Durchführung der Säkularisation:

„Die Säkularisation der bayerischen Klöster stellte eine der einschneidendsten Maßnahmen der Regierung Montgelas‘ dar, denn die Klöster waren beachtliche Zentren für Kultur, Bildung, Schule und Seelsorge, die in der Folgezeit nicht durch entsprechende staatliche Institutionen ersetzt werden konnten."

Negative Folgen hatte die Säkularisation auch auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet. Einerseits brachte sie den klösterlichen Grunduntertanen nicht die Befreiung von der Grundherrschaft, die vielmehr von 1803 an meist vom Staat ausgeübt wurde. Andererseits verloren die Grunduntertanen mit den Klöstern die eigentlichen Spar- und Kreditkassen der ländlichen Wirtschaft, die ihnen billige, zum Teil zinslose Kredite gegeben, Sachhilfen und soziale Fürsorge in Notlagen gewährt hatten. Dadurch gerieten zahlreiche Handwerker und das Klosterpersonal oft für Jahrzehnte in Not und Armut.

Schließlich gingen durch die radikale und im Vergleich zu anderen Staaten besonders schonungslose Durchführung der Säkularisation in Bayern wertvolle Kirchen und Klostergebäude der Nachwelt verloren. Beispielhaft seien hier aus unserem Bereich die Klöster in Holzkirchen, in Tückelhausen, in Estenfeld, in Zell, in Münsterschwarzach und in der Stadt Würzburg genannt.

 

1808: die Entstehung der heutigen Regierungsbezirke

Es ist das Geburtsjahr der heutigen Regierungsbezirke, die Montgelas „Kreise“ nannte. Grundlegend war die Verordnung vom 17. Juli 1808, wonach das Staatsgebiet nach geographischen und statistischen Gesichtspunkten in Kreise gegliedert und als Mittelbehörden für jeden Kreis Generalkommissariate mit dem Generalkommissär, einem Kanzleidirektor und mehreren Räten der Verordnung gemäß geschaffen wurden. Zunächst waren es 15 Kreise, die jedoch alsbald auf acht und zuletzt auf sieben reduziert wurden. In diesen Kreisen sollten Abgeordnete gewählt und sieben Abgeordnete in eine Nationalrepräsentation entsandt werden.

1812

Gemäß der Königlichen Anweisung verkündete der bayerische Staatsrat Georg Friedrich Zentner am 6. Februar 1812 ein Programm, in dem die Idee einer gesunden Selbstverwaltung der Gemeinden, die Grundlage der finanziellen Verantwortung für die eigenen Bedürfnisse, entwickelt wurde. Die Gemeinden als „Grundlage des Staatsvereins“ waren eben zur Erfüllung besonderer Aufgaben berufen, die der Staat auf Dauer nicht übernehmen durfte und konnte. Diese Regelung war die eigentliche Grundlage der späteren kommunalen Haushalte.

1818

Am 17. Mai 1818, einige Tage vor Verkündigung der Bayerischen Verfassung, erschien das seit Jahren vorbereitete und heiß umkämpfte Gemeindeedikt, das die kommunale Selbstverwaltung im wahrsten Sinne des Wortes reformierte. Den Gemeinden wurde das Recht zur Wahl ihrer Gemeindeorgane gewährt, ein umfassender eigener Wirkungskreis eingeräumt, staatliche Hoheitsaufgaben übertragen und die Staatsaufsicht auf das absolut Notwendige beschränkt.

Dem Gemeindeedikt von 1818 entspricht noch heute Artikel 11 Absatz 2 unserer Verfassung, die klar und unmissverständlich sagt: „Die Gemeinden sind ursprüngliche Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts. Sie haben das Recht, ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze selbst zu ordnen und zu verwalten, insbesondere ihre Bürgermeister und Vertretungskörper zu wählen.“ Absatz 4 ergänzt: „Die Selbstverwaltung der Gemeinden dient dem Aufbau der Demokratie in Bayern von unten nach oben.“

 

1852: Die Distriktsgemeinden als Vorläufer der Landkreise

1852 war das eigentliche Geburtsjahr der heutigen Landkreise. Dem Landtag wurde 1851 ein Gesetzentwurf über die Bildung von Distrikträten unterbreitet, was im Gesetz vom 28. Mai 1852 seine Verwirklichung fand.

Gesetz über die Bildung von Distrikträten

Artikel 1 dieses Gesetzes sagt: Jeder Amtsbezirk einer Distriktsverwaltungsbehörde …bildet eine Distriktsgemeinde und in einem jeden derselben besteht als Vertreter dieser Corporation ein Distriktsrath, was dem heutigen Kreistag entspricht.

Artikel 2 legt fest: Der Distriktsrath wird gebildet:

a) aus den Vertretern sämtlicher zu dem Distrikte gehörigen Gemeinden in der Art, dass Gemeinden bis zu 2.000 Seelen Einen, größere Gemeinden für je 2.000 Seelen mehr Einen weiteren Abgeordneten zu wählen haben;
b) aus den Eigenthümern desjenigen Grundbesitzes, von welchem die höchste Grundsteuer im Distrikte entrichtet wird;
c) aus den Vertretern des …nicht begriffenen größeren Grundbesitzes mit Ein Viertel der Zahl der Vertreter der Gemeinden;
d) aus einem Vertreter des Staats-Aerars, wo dieses bei den Distriktsumlagen beteiligt erscheint.

Artikel 3 bestimmt: „Die Vertreter der Gemeinden werden

a) in Gemeinden mit magistratischer Verfassung von den in Einem Wahlkörper vereinigten Magistraten und Gemeindebevollmächtigten,
b) in den Landgemeinden von dem Gemeinde-Ausschusse … aus den wirklichen Gemeindemitgliedern … nach absoluter Stimmenmehrheit auf die Dauer von drei Jahren mittelst Wahlzettel gewählt“.

Artikel 7 sagt: „Sämtliche Mitglieder des Distriktsrathes müssen das dreißigste Lebensjahr zurückgelegt haben“. In weiteren Artikeln dieses Gesetzes ist der Aufgabenbereich des Distriktsrathes, der weitgehend überörtliche und übertragene staatliche Aufgaben umfasst, geregelt. Dieses Gesetz schreibt vor, dass der Distriktsrath sich einmal im Jahr unter Leitung des Distrikts-Verwaltungsbeamten oder dessen Stellvertreter versammeln muss. Der Distriktsrath muss ferner einen Ausschuss wählen, der aus vier bis sechs Mitgliedern bestehen soll, was dem heutigen Kreisausschuss entspricht. Die Mitglieder des Distriktrates hatten ihr Amt unentgeltlich wahrzunehmen. Nur die Mitglieder des Ausschusses konnten nach Artikel 26 eine angemessene Vergütung erhalten, wenn dies vom Distriktsrath beschlossen wurde.

Artikel 32 und 33 regelten die Erhebung der Distriktsumlage, der heutigen Kreisumlage: „Dem Distriktsrath ist vorbehalten, die Beitragsquote für einzelne Gemeinden oder abgesonderte Gemarkungen je nach der Theilnahme an den Vortheilen der betreffenden Anstalt oder Einrichtung verschieden abzustufen. Die deßfallsigen Beschlüsse des Distriktsrathes unterliegen der Genehmigung der vorgesetzten Kreisregierung.“ Vorsitzender des Distriktrathes war in der Regel der Landrichter.

Nach diesem Gesetz vom 28. Mai 1852 wurden in Bayern 240, in Unterfranken 22 Distriktsgemeinden gebildet. Die durchschnittliche Größe dieser Gebietskörperschaften umfasste ca. 20.000 Einwohner. Nach dem Ortschaftenverzeichnis des Königreiches Bayern von 1877 war unsere Distriktgemeinde, das ist unser Landkreis vor 1972, mit 40.251 Einwohnern in 46 Gemeinden und 86 Orten der größte neugeschaffene kommunale Bereich außerhalb der Stadt Würzburg. Der Begriff Orte ist heute weniger bekannt. Orte waren die Außenbereiche von Gemeinden, wie z.B. die See- und Schlossmühle von Burggrumbach, das Chaussee-Wirtshaus von Lindflur, die Kornets- und Rothmühle von Ochsenfurt oder die Ziegelhütte und der Grossjeanhof von Zell.

 

1862: die Geburtsstunde der bayerischen Landratsämter

1. Juli 1862

Die Distriktgemeinden werden in Bezirksämter umbenannt. § 2 dieses Gesetzes bestimmte, dass jedes Bezirksamt mit einem Bezirksamtmann als Vorsitzendem besetzt wird, der als Chef des Amtes anzusehen war. Gleichzeitig wurden die administrativen Aufgaben von der Justiz getrennt.

Der Bezirksamtmann hatte kein Stimmrecht. Nur bei Stimmengleichheit einer Abstimmung gab seine Stimme für das Endergebnis den Ausschlag. Übrigens: Erst 1938 wurden die Begrifflichkeiten geändert: Aus den Bezirksämtern wurden die Landratsämter, aus den Bezirksamtmännern die Landräte.

 

Der Landkreis im 20. Jahrhundert

22. Mai 1919

Nun überspringen wir die Jahrhundertwende und kommen zum Selbstverwaltungsgesetz vom 22. Mai 1919, wodurch die lange verteidigte „Kuratel des Staates“ weitgehend aufgehoben wurde. Artikel 12 dieses Gesetzes bestimmte: „Die Gemeinden, die Bezirke und die Kreise sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung nach Maßgabe der Gesetze.“

Der schon 1893 erhobenen Forderung, die Wahlen zu den Distrikträten direkt durchzuführen, dadurch die Beschränkung der Wahlkörper zu sprengen und die Distriktsvertretung auf der Grundlage des Prinzips der Gleichberechtigung aller Bürger zu bilden, entsprach das Wahlgesetz für die Gemeinde-, Bezirks- und Kreiswahlen in der Fassung vom 14. Mai 1919. Dies war ein wesentlicher Schritt für eine echte Demokratisierung des kommunalen Wahlrechtes.

Am 17. Oktober 1927 wurde eine neue Bezirksordnung geschaffen, die am 1. April 1928 in Kraft trat. Die Organe der Selbstverwaltung blieben dabei so, wie sie 1919 eingerichtet worden waren. Nur die Stellung des Bezirksamtmannes wurde insofern aufgewertet, als dieser der gesetzliche Leiter des Bezirksausschusses wurde.

Mit Beginn der braunen Diktatur 1933 wurde das Recht auf freie Wahlen mit Füßen getreten. Mit dem Gesetz zur Gleichschaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände mit Land und Reich vom 7. April 1933 wurden die Bezirkstage auf neun Mitglieder reduziert. Den Vorsitz übernahm der Bezirksoberamtmann, das war im Bezirksamt Würzburg Oberregierungsrat Dr. Böhm. Weitere Einschnitte brachte die Bekanntmachung des Innenministeriums vom 13. Juli 1933. „Nachdem bisher schon die sozialdemokratischen Mitglieder von den Sitzungen der Bezirkstage fernzuhalten waren, ist nunmehr zur Sicherung der Staatsführung die Zuteilung der Sitze an die Vertreter der Soziademokratischen Partei für unwirksam erklärt worden. Die dadurch freigewordenen Sitze der Bezirkstage sind durch die Staatsaufsichtsbehörde entsprechend dem Volkswillen nach Überwindung des Parteienstaates zu besetzen“. Erst nach Ende des zweiten Weltkrieges konnte man wieder an freie Wahlen denken.

 

Der Landkreis Würzburg nach dem Zweiten Weltkrieg

Am 27. Januar 1946 fanden die ersten Kreistagswahlen in Bayern statt. Im Altlandkreis Würzburg waren 45 Kreisräte zu wählen. Der Kreistag wählte Michael Meisner zum ersten Landrat. Die für zwei Jahre gewählten kommunalen Mandatsträger mussten schwerwiegende Probleme lösen. Wohnungsnot in der ausgebombten Bischofsstadt, Hunger, Krankheiten, Flüchtlingselend und Hoffnungslosigkeit belasteten die Aufbauarbeit auch in den Gemeinden rund um Würzburg.

Bei der Kreistagswahl 1948 erhielt die CSU 22 Sitze, die SPD 14, die KPD 2, die FDP 2 und die Parteilose Wählergemeinschaft 5 Sitze. Mit einer Stimme Mehrheit wurde der von der CSU vorgeschlagene Landratskandidat Dr. Friedrich (Fritz) Wilhelm aus Rottenbauer gegen den SPD-Kandidaten Johann Maag aus Waldbüttelbrunn vom Kreistag zum Landrat gewählt, der den seitherigen Landrat Michael Meisner ablöste, nachdem dieser sich für das Amt des Oberbürgermeisters von Würzburg entschieden hatte.

Seit dem Inkrafttreten der Landkreisordnung vom 16. Februar 1952, das war genau 100 Jahre nach Schaffung der Distriktgemeinde, wurde der Landrat nicht mehr vom Kreistag, sondern vom Volk direkt gewählt. Nachdem Anfang der dreißiger Jahre Heidingsfeld nach Würzburg eingemeindet worden war, bestand der Altlandkreis Würzburg 1939 nur noch aus 45 Gemeinden mit 49.325 Einwohnern. Die Einwohnerzahl stieg bis zum Jahre 1968 auf 82.248 Einwohner an.

1962

Landrat Dr. Fritz Wilhelm wurde in der Nachfolge von Engelbert Kraus (Rimpar) in den Bayerischen Landtag gewählt. Vier Jahre später wurde im Landtag das Rechtsstellungsgesetz beschlossen und das Prinzip der Inkompatibilität eingeführt. Das bedeutet, dass aufgrund der Gewaltenteilung Amt und Mandat unvereinbar sind. Dieses von der SPD abgelehnte Gesetz hatte zur Folge, dass Angehörige des Öffentlichen Dienstes nicht gleichzeitig Landtagsabgeordnete sein konnten. Es sei denn, sie lassen ihr Amt während ihrer Parlamentszugehörigkeit ruhen. Dieses Gesetz trat für den Landtag zum 1. November 1970 in Kraft, für die Gemeinderäte, Stadträte und Kreistage erst zum 1. Mai 1972. Bei der Schlussabstimmung dieses Gesetzes sprach sich nicht nur die SPD dagegen aus, sondern auch mehrere Landräte aus den Reihen der CSU, die künftig von der Inkompatibilität betroffen waren.

Von den 204 Abgeordneten des Bayerischen Landtags waren immerhin 88 von dieser Neuregelung betroffen. Unter ihnen auch Landrat Dr. Fritz Wilhelm. Zur Landtagswahl am 22. November 1970 wurde dann ich für den Stimmkreis Würzburg-Marktheidenfeld gewählt. Die CSU erhielt 56,4% der gültigen Stimmen, das waren 124 von 204 Sitzen, die es erlaubten, größere Reformen anzugehen. Bereits ein Jahr vor dieser Landtagswahl hatte Innenminister Dr. Bruno Merk angekündigt, in der kommenden Legislaturperiode eine Landkreis- und Gemeindereform durchzuführen.

 

Die Landkreis- und Gemeindereform aus meiner Sicht

In der traditionellen Klausurtagung der CSU-Landtagsfraktion zur Jahreswende 1970/71 wurde einmütig entschieden, eine Landkreis- und Gemeindereform, wie von Bruno Merk vorgeschlagen, durchzuführen. In der Regierungserklärung am 27. Januar 1971 hatte Ministerpräsident Alfons Goppel sein Regierungsprogramm vorgestellt. Neben der Wirtschafts- und Kulturpolitik war die Kommunalreform der Schwerpunkt seiner Ausführungen. Sein erklärtes Ziel war es, wertgleiche Lebensbedingungen in Stadt und Land zu schaffen. Der Zusammenschluss von Gemeinden und Landkreisen diene, so der Ministerpräsident, dem Zweck, leistungsfähige kommunale Körperschaften einzurichten. Als neue Größenordnung der Landkreise nannte Alfons Goppel eine Einwohnerzahl von 80.000. Während die Landkreisreform möglichst bald abgeschlossen werden sollte, wurde den Gemeinden eine Frist bis 1976 eingeräumt, damit sie sich freiwillig zusammenschließen könnten.

Volkmar Gabert von der SPD hielt wenig vom CSU-Konzept zur Kommunalreform und meinte, dass die angekündigte Gebietsreform mittels einer Vergrößerung der Landkreise lediglich eine Pseudoreform sei. Deshalb holte die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag den „Rothemundplan“ aus der Schublade und reichte ihn im Oktober 1971 als Gesetzentwurf ein. Danach sollte Bayern in 18 Verwaltungsregionen aufgeteilt werden, deren Behörden schrittweise die Aufgaben der Bezirksregierungen, dann auch die der Landkreise und der kreisfreien Städte übernehmen sollten. Die Bezirksregierungen wären danach aufgelöst, die Landratsämter in Außenstellen der Regionalverwaltungen umgewandelt worden.

Diesen Zielvorstellungen konnte die CSU bei bestem Willen nicht folgen. Innenminister Bruno Merk hat uns junge Abgeordnete regelrecht in sein Konzept hinein geworfen. Die Main-Post schrieb am 28. Januar 1971: „Auf der Münchner Landtagsbank kaum richtig warm geworden, weht dem CSU-Abgeordneten Christian Will schon ein scharfer kommunaler Protestwind ins Gesicht“. In einer ersten öffentlichen Aussage, es war der politische Frühschoppen am zweiten Sonntag im Januar 1971 in Margetshöchheim, habe ich unmissverständlich die Meinung der CSU-Landtagsfraktion vorgetragen und dabei bekundet, dass ich vollinhaltlich hinter dem Konzept unseres Innenministers Bruno Merk stehe.

Dass ich mir bei meiner Grundhaltung den Zorn nicht nur des Landrates Dr. Fritz Wilhelm, sondern auch vieler Bürgermeister zuzog, versteht sich von selbst. Von meinem Landrat wurde ich deshalb am Montag 25. Januar 1971 bei der Kreisausschusssitzung als „Verräter“ begrüßt, was ich allerdings nicht tragisch nahm. Dass ich auch für die sogenannten Gegner der Gebietsreform Verständnis hatte, das machte der damalige Vorsitzende des Bayerischen Gemeindetages, Dr. Peter Gröbner, deutlich, als er sagte: ‚Es sollte auch niemand erwarten, dass irgendein Landrat, irgendein Bürgermeister sein Amt als Landrat oder als Bürgermeister etwa leichten Herzens aufgibt. Wäre das der Fall, so wäre dies nur der Beweis, dass der Betreffende nicht mit wirklicher Hingabe seiner Gemeinde und seinem Landkreis gedient hat‘. Dem habe ich nichts hinzuzufügen, sollten doch von den 143 Landkreisen in Bayern nur 71 übrig bleiben, in Unterfranken von 22 kleinen nur noch neun größere Kreise.

Nicht wenige meiner Kollegen in der CSU-Landtagsfraktion liebäugelten mit der Auflösung der „Kragenlandkreise“ rund um die großen Städte. Ich hatte es dabei nicht leicht, unseren Kragenlandkreis Würzburg zu verteidigen, bzw. diesen zu erweitern und mit neuen Aufgaben auszustatten. Wir waren tatsächlich ein kommunales Gebilde, das weitgehend keine konkreten und belastenden Aufgaben hatte und deshalb in Bayern lange Zeit auch die niedrigste Kreisumlage in Bayern von den Gemeinden einfordern musste.

Landrat Dr. Fritz Wilhelm wurde einmal von einem norddeutschen Kollegen gefragt, ob er als Landrat Vergnügungssteuer zahle. „Wieso“ fragte Dr. Wilhelm seinen Kollegen. „Nun“, meinte dieser, „du hast ja in deinem Landkreis keinerlei echte Aufgaben. Die Krankenhäuser und weiterführenden Schulen sind alle in der Stadt und die wenigen Straßen, die du zu unterhalten hast, kannst du nach Dienstschluss noch bearbeiten.“ Dieser Kollege hatte nicht ganz Unrecht, wir waren tatsächlich ein wohlhabender Landkreis, dessen Gemeinden sich glücklich schätzten diesem Kreis anzugehören. Aus dieser Sicht ist es verständlich, dass ich lange Zeit vor der Landkreisreform im Kreistag den Antrag auf Bildung eines Zweckverbandes für alle weiterführenden Schulen in der Stadt stellen konnte, der allerdings seitens der Stadt Würzburg auf taube Ohren gestoßen war. Stattdessen durften wir uns immerhin mit 40% am Bau der Wolffskeel-Realschule beteiligen und wenig später das Deutschhaus-Gymnasium in der Stadt bauen.

Da ich Landtagsabgeordneter für Würzburg-Land und Marktheidenfeld war, lag mir nahe, mich zunächst um die Einbeziehung des Landkreises Marktheidenfeld mit seinen 50 Gemeinden in unseren Landkreis zu bemühen. Deshalb diskutierte ich mit den Bürgermeistern dieses Landkreises in Roden und Marktheidenfeld. Das Main-Echo vom 23. 8. 1971 berichtete damals: „Abschließend dankte Bürgermeister Scheiner von Roden den Teilnehmern der Versammlung für die offene und faire Diskussion. Er rief auf, im Anhörungsverfahren gemeinschaftlich einen Anschlussantrag an den Landkreis Würzburg zu stellen, da dies für Marktheidenfeld und die Umlandgemeinden die beste Lösung sei.“

 

Die Angliederung des Landkreises Ochsenfurt und der „Sonderfall Gnodstadt“

Während der Sommerferien 1971 waren wir CSU-Landtagsabgeordnete mit Landtagspräsident Rudolf Hanauer im Lande unterwegs, um mit Landräten und Bürgermeistern über die Notwendigkeit der Landkreisreform zu sprechen. Dabei besuchten wir insbesondere Landkreise, die aufgelöst werden sollten, so zum Beispiel Brückenau, Alzenau und Gemünden. Das „Liebeswerben“ für den Landkreis Würzburg ging weit in die Nachbarkreise hinein. Beispielhaft seien Arnstein und Volkach genannt, die beide gerne dem Kragenlandkreis Würzburg angehören wollten.

Eines Tages kam Landrat Karl Remling aus Ochsenfurt mit dem dort zuständigen Landtagskollegen Erich Sauer mit der Bitte auf mich zu, den ganzen Landkreis Ochsenfurt mit seinen 53 Gemeinden zum Landkreis Würzburg zu nehmen. Ein gemeinsames Gespräch mit Innenminister Dr. Bruno Merk brachte zustimmende Klärung, die auch von den Ochsenfurter Gemeinden anerkannt wurde.

Lediglich die Gemeinde Gnodstadt, die eine Eingemeindung nach Ochsenfurt fürchtete, legte sich quer. Sie wollten lieber nach Marktbreit und damit zum Landkreis Kitzingen. Es kam zu einem regelrechten Aufstand. Ich musste schließlich mit Polizeischutz zu einer Versammlung nach Gnodstadt und die Gemüter beruhigen, was mir verhältnismäßig leicht gefallen war, da ich innerlich längst auf der Seite der Gnodstädter stand. Zunächst wurde ich mit Transparenten und Pfui-Rufen begrüßt und am Ende der Versammlung waren wir uns einig: Gnodstadt darf zum Landkreis Kitzingen und braucht keine Eingemeindung nach Ochsenfurt zu fürchten.
Die endgültige Entscheidung zur Reform der Landkreise fiel am 15. Dezember 1971. Mit 109 Stimmen der CSU gegen 68 Stimmen der Opposition billigte der Bayerische Landtag die Regierungsverordnung zur Landkreisreform. Sieben CSU-Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Von den 143 Landkreisen wurden 33 aufgeteilt, 39 gingen mehr oder weniger unverändert in größeren Kreisen auf. Neun Landkreise hatten bis zum 1. Juli 1972 weniger als 20.000 Einwohner, weitere 16 lagen unter 30.000 Einwohner.

 

Das „neue“ Gesicht des Landkreises Würzburg

Bald hatte der neue Landkreis Würzburg sein Gesicht. Innenminister Merk hatte unseren Überlegungen entsprochen, die von meinen Kollegen Erich Sauer aus Ochsenfurt und Walter Zeißner aus Karlstadt unterstützt wurden. Aus dem damaligen Landkreis Marktheidenfeld kamen die Gemeinden Böttigheim, Neubrunn, Helmstadt, Holzkirchen, Holzkirchhausen, Wüstenzell, Uettingen und Remlingen zu uns. Aus dem Landkreis Gerolzhofen kamen die Gemeinden Ober- und Untereisenheim, aus dem Landkreis Kitzingen kamen die Gemeinden Dipbach, Oberpleichfeld, Prosselsheim und Püssensheim und aus dem Landkreis Karlstadt kamen die Gemeinden Erbshausen, Gramschatz, Hausen, Rieden und Opferbaum zu uns. Damit zählte der neue Landkreis Würzburg 117 Gemeinden mit 143.216 Einwohnern, abzüglich der Gemeinden, die später zur Eingemeindung nach Würzburg anstanden.

Dieses Konzept wurde auch vom damaligen CSU-Bezirksvorsitzenden Staatssekretär Albert Meyer mitgetragen und auch von der Regierung von Unterfranken unterstützt. So ist die Landkreisreform in unserem Bereich absolut harmonisch verlaufen. Bei der Landrats- und Kreistagswahl am 11. Juni 1972 wurde Dr. Fritz Wilhelm einmütig zum Landrat des neuen Landkreises gewählt. Zu seinen Stellvertretern wählte der Kreistag Hugo Schülling von der CSU aus Ochsenfurt, Karl Herold von der SPD aus Kirchheim und Manfred Lutz von der CSU aus Waldbüttelbrunn.

Ungeachtet einer wirklich guten Lösung der Landkreisreform muss ich sagen, dass ich Marktheidenfeld ungern abgegeben habe. Meine „Liebe“ zu Marktheidenfeld verpflichtete mich, dem damaligen Bürgermeister Armin Grein hinsichtlich der Anerkennung als zentraler Ort für Marktheidenfeld zu helfen. Ich erbat bei Innenminister Merk ein klärendes Gespräch und brachte Staatssekretär Alfred Dick zu einem Ortstermin nach Marktheidenfeld. Beide Bemühungen genügten, um seitens des CSU-Ortsverbandes Marktheidenfeld gegen mich ein Parteiausschlussverfahren zu beantragen, weil ich den „politischen Gegner“ unterstützt habe, wie es im Anklageschreiben vom 18. Januar 1973 nachzulesen ist.

Der Kommentar im Main-Echo zu diesem Antrag meiner CSU-Freunde aus Marktheidenfeld war bezeichnend: „Ob diese Kampagne gut war, politisch wie menschlich gesehen, bleibe dahingestellt. Vielleicht haben taktische Gründe und menschliche Rivalitäten den Ausschlag gegeben. Andererseits ist es so, dass ein Abgeordneter einer Stadt und damit auch den CSU-Wählern nur dann helfen kann, wenn er dem Repräsentanten dieser Stadt, eben dem Bürgermeister, hilft. Tut er dies, so wird der Wähler diese Tat sicherlich honorieren, den CSU-Abgeordneten wieder wählen, und damit wäre der Partei kein Schaden, sondern ein Nutzen entstanden.“ Ein 155-Millionen-DM-Programm Strukturhilfe für frühere Kreisstädte war die Antwort auf vielerlei Bemühungen von mir und meinen Kollegen Erich Sauer und Walter Zeißner, wovon auch Marktheidenfeld großen Nutzen hatte.

 

Die Lösung der Stadt-Umland-Frage

Was die Landkreisreform betrifft, durften wir auch im neuen Landkreis diese Reform nicht ohne die Lösung der Stadt-Umland-Frage sehen. Als Abgeordneter der Regierungspartei stand ich zwischen zwei Fronten. Landrat Dr. Fritz Wilhelm wollte keine Gemeinde nach Würzburg geben und Oberbürgermeister Dr. Klaus Zeitler fühlte sich als „eroberungslustiger Feldherr, der von hoher Warte aus glaubte befehligen zu können: Wo ist das Nest, den Finger drauf, das holen wir!“ Bei dieser Vorstellung wurde der Oberbürgermeister von allen Fraktionen des Stadtrates unterstützt. „Der Entwurf sei im Ton angemessen und in der Darlegung überzeugend“, sagte Stadtrat Karl Hatzold, der für die CSU die Zustimmung aussprach. Die Stadt erhebe keine Forderungen, sondern bitte die Regierung den Zusammenschluss der 13 Gemeinden mit der Kernstadt Würzburg zu prüfen.

Als wir im Landkreis diese Zahlen hörten, ertönte die Alarmglocke, wäre doch mit beiden Forderungen die Existenz des alten und auch des neuen Landkreises in Frage gestellt gewesen. Für uns war klar, dass künftig das Angebot an Arbeitsplätzen verstärkt im weiten Bereich des Landkreises gefördert werden musste, und dass die Pendlerbewegung zur Stadt kein Grund für eine Eingemeindung sein kann. Auch der neue Landkreis braucht finanziell und wirtschaftlich starke Gemeinden, wozu insbesondere die großen und finanziell stärkeren Stadtrandgemeinden als echtes Rückgrat zählen, um die kleineren und ärmeren Dörfer in der Fläche zu stärken.

Hier nun die beiden Wunschlisten von Würzburg: Zum Vorschlag A gehörten die Gemeinden Höchberg, Gerbrunn, Zell, Veitshöchheim, Margetshöchheim, Lengfeld, Oberdürrbach, Versbach, Unterdürrbach, Randersacker, Rottendorf, Reichenberg und Rottenbauer. Im Vorschlag B waren die Gemeinden Höchberg, Versbach, Lengfeld, Gerbrunn, Zell, Rottenbauer und eine Fläche um den Wöllriederhof.
Begründet wurden beide Vorschläge mit einer engen Verzahnung mit Würzburg und dem Angebot an Arbeitsplätzen, die es nach meiner Auffassung in dieser Konzentration nur im Zentrum der Region geben kann und die jedoch kein Grund für eine Eingemeindung sein können. Auch mir waren und sind die konkreten Zahlen der Berufspendler in die Stadt bekannt. Nach der Auswertung des Raumordnungsberichtes 1971 der Staatsregierung zeige sich die Verflechtung mit der Stadt deutlich bei den Pendlern, meinten die „Stadtväter“. Demnach kommen aus den 45 Gemeinden des Landkreises Würzburg 60% der Erwerbstätigen. Von Gerbrunn kamen 1971 sogar 72,7%, von Unterdürrbach 77,3%, von Versbach 73,4%, von Zell 72,6%, von Rimpar 64,5%, von Rottendorf 58,8% und von Randersacker 54,9% der Berufspendler. Ungeachtet dieser Zahlen vertrat ich die Meinung, dass Pendlerbewegungen zum Oberzentrum Würzburg kein Grund für eine Eingemeindung seien.

Ein Kommentar im Frankenkurier am 18. Februar 1972 sagte: „Während in anderen Großstädten die Abgeordneten aller Parteien gemeinsam für ihre Stadt eintreten, überlässt man im Raum Würzburg alle Aktivitäten dem Abgeordneten für Würzburg-Land, Christian Will. Auch der Ex-Abgeordnete Dr. Fritz Wilhelm weiß seine Beziehungen nach München trefflich zu nutzen, wenn es um die Stabilisierung seines Halskrausen-Landkreises und gegen die Interessen der Stadt Würzburg geht. Die Vertreter der Stadt Würzburg im Bayerischen Landtag dagegen üben vornehme Zurückhaltung. Blicken sie nicht durch, um welch bedeutungsvolle Entscheidung es sich bei der Lösung des Umlandproblems für Würzburg handelt?“ Dem war natürlich nicht so. Wir in Stadt und Land haben zu allem Anfang der Landkreisreform um eine gute Lösung gerungen, wenn darüber auch nicht lautstark geredet oder geschrieben wurde.

Die Bürgermeister der „gefährdeten“ Gemeinden gingen mit mir auf die Barrikaden. Innenminister Dr. Bruno Merk kam zum Ortstermin nach Gerbrunn, wo wir gemeinsam festlegten, dass das Unigelände und der US-Bereich nach Würzburg umgemarkt werden sollen. Gerbrunn soll auf alle Fälle selbständig bleiben. In Lengfeld hatten wir zu einer Bürgermeister-Versammlung eingeladen, bei der Bruno Merk ankündigte, die Argumente von Stadt und Landkreis sorgsamst zu prüfen. Eine Dreizehnerlösung werde es auf keinen Fall geben. Mit dem Innenstaatssekretär Erich Kiesl befuhren wir die Gemarkungsgrenzen von Randersacker, Höchberg und Veitshöchheim. Dabei wurde festgelegt, dass nur das hintere Steinbachtal umgemarkt werden soll.

Mit Dr. Wolfgang Bötsch und Barbara Stamm machte ich mehrere Grenzgänge, um angebliche Verzahnungen mit der Stadt zu prüfen. Im Dürrbachtal wurden die Forderungen von Ober- und Unterdürrbach angehört, wobei besonderer Schwerpunkt die Dürrbachverrohrung mit Straßenausbau gewesen ist. Über Monate waren die Schlagzeilen in der Tagespresse ein Spiegel echter Konfrontation zwischen der Stadt und den Stadtrandgemeinden. Endlich brachte ein abschließendes Gespräch bei Innenminister Dr. Bruno Merk, das Dr. Wolfgang Bötsch und ich gemeinsam führten, das Ende der zermürbenden Auseinandersetzungen. „Wenn ihr beide in der Sache einig seid, dann bleibt es bei der Fünferlösung“ sagte der Innenminister. Und er hielt sein Wort.

Am 9. September 1975 gaben die CSU-Stadtrats- und Kreistagsfraktionen ihre Erklärungen ab. Stadtrat Karl Hatzold sagte: „Die CSU-Stadtratsfraktion stimmt dem Vorschlag der Regierung von Unterfranken, die Gemeinden Ober- und Unterdürrbach, Versbach und Lengfeld einzugemeinden und Teilflächen aus den Gemeinden Rottendorf, Gerbrunn und Höchberg umzugemeinden, im Grundsatz zu. Die CSU-Stadtratsfraktion hat kein Verständnis dafür, dass aus dem starken Verflechtungsgrad der Gemeinden Höchberg, Gerbrunn und Zell nicht die gleichen Konsequenzen gezogen wurden wie für die anderen zur Eingemeindung vorgeschlagenen Gemeinden. … Die CSU-Stadtratsfraktion glaubt, dass mit einer schnellen Erledigung des Verfahrens am ehesten dem baldigen Vollzug des erklärten Eingemeindungswunsches der Gemeinden Ober- und Unterdürrbach gedient ist und würde es begrüßen, wenn in der jetzigen Phase der Freiwilligkeit auch die Gemeinden Versbach und Lengfeld im Interesse ihrer eigenen zukünftigen Entwicklung zu einer zustimmenden Haltung zu der Eingemeindung in die Stadt Würzburg finden könnten. … Die CSU-Stadtratsfraktion weist insbesondere darauf hin, dass mit der sich jetzt anbahnenden Lösung auf einen absehbaren Zeitraum dem Bedürfnis der Stadt Würzburg nach Absicherung ihrer Entwicklungsmöglichkeiten Rechnung getragen wird. Dabei berücksichtigt die Fraktion auch die Tatsache, dass Eingemeindungen nicht nur Vorteile, sondern auch erhebliche Belastungen für die Stadt bringen werden. … Die CSU-Stadtratsfraktion begrüßt, wenn jetzt durch die CSU im Landkreis Würzburg die Notwendigkeit erkannt wird, den entfachten Streit um die Regelung des Stadtumlandproblems Würzburg mit einem für alle tragbaren Kompromiss schnellstens zu beenden.“

Für die CSU-Kreistagsfraktion sagte ich u.a. in meiner Erklärung: „Der Vorschlag der Bayerischen Staatsregierung bietet für den Raum Würzburg eine politisch tragbare Lösung an. … Es ist zu begrüßen, dass der Kreisausschuss in seiner letzten Sitzung die Bereitschaft bekundet hat, über die von der Staatsregierung vorgeschlagene Fünferlösung mit den Fraktionen des Stadtrates von Würzburg zu verhandeln, wenn dieser sich in seinem Votum hierauf als endgültige Lösung des Stadtumlandproblems festlegt. … Unter diesen Voraussetzungen kann die CSU im Landkreis einer Fünferlösung zustimmen, wenn dadurch weitere Wunschvorstellungen der Stadt Würzburg nicht gebracht werden. … Aus dieser Situation heraus fühlte ich mich verpflichtet, in den Gemeinderatssitzungen von Versbach und Lengfeld klar zu sagen, dass mit einer Eingemeindung nach Würzburg gerechnet werden muss. Entweder, so betonte ich, müssten neue Argumente gegen eine Eingemeindung nach Würzburg vorgebracht werden, die von der Mehrheit des Bayerischen Landtages auch anerkannt werden könnten, oder die Freiwilligkeitsphase sollte genutzt werden. … Ich bedauere die unverständliche Haltung der SPD, die durch ihr Taktieren weitere Gemeinden zur Disposition stellt. Würde das Konzept der SPD-Landtagsfraktion verwirklicht, so gäbe es keinen Landkreis Würzburg mehr, sondern nur noch eine Region mit einem Regionalpräsidenten, nicht aber mit vom Volk gewählten Landräten. Gemeinden unter 10.000 Einwohner hätten, wenn das kommunale Reform-Konzept der SPD zum Tragen gekommen wäre, keine Existenzberechtigung mehr. Der offene Widerspruch zwischen den Forderungen der SPD in der Stadt Würzburg und im Landkreis – hier Dreierlösung, da Siebenerlösung, ist für jedermann offenkundig. Mit dieser Erklärung stelle ich keine Gemeinde zur Disposition. Ich halte es jedoch für meine Pflicht, den betroffenen Gemeinden die volle Wahrheit zu sagen, ihnen meine Hilfe anzubieten und eine Konfrontation zwischen Stadt und Land zu verhindern.“

Ich meine, die Stadt und der Landkreis Würzburg gingen beide gestärkt aus der Landkreis- und Gemeindereform hervor.

 

Die Probleme bei der Gestaltung der Gemeindereform

Wandel der dörflichen Strukturen

Nun mussten wir im neuen Landkreis dafür sorgen, dass mit einer vernünftigen Gemeindereform eine Stärkung des ländlichen Raumes erreicht wird. Hier brauchten wir nahezu sechs Jahre Zeit, bis die Zusammenschlüsse, mehr oder weniger freiwillig, zustande kamen. Die Bildung von Verwaltungsgemeinschaften war hierbei eine große Hilfe. In unserem Konzept standen zehn Einheitsgemeinden und zwölf Verwaltungsgemeinschaften mit 42 Mitgliedsgemeinden. Diese Mitgliedsgemeinden behielten ihren Bürgermeister und Gemeinderat. Erreichten sie 2.000 Einwohner, so konnten sie wieder ihre eigene Verwaltung beantragen. Beispielhaft seien hier Kleinrinderfeld, Leinach, Kürnach, Hausen und Gaukönigshofen genannt, die auf Antrag ihre eigene Verwaltung wieder erhalten haben.

Wichtig war die Zusammenlegung von sogenannten Zwerggemeinden zu einer größeren Gemeinde. Der Altlandkreis Ochsenfurt hatte zwei Gemeinden unter 100 Einwohner (EW), 13 Gemeinden unter 200 EW, 17 Gemeinden unter 300 EW, neun Gemeinden unter 500 EW und fünf Gemeinden unter 800 EW. Auch der Altlandkreis Würzburg hatte fünf Gemeinden unter 300 EW, sechs Gemeinden unter 500 EW und elf Gemeinden unter 800 EW. Diese wenigen Zahlen unterstreichen mit Sicherheit die Notwendigkeit einer echten Gemeindereform, die wir beherzt miteinander anpackten. Zudem war darauf zu achten, die Zusammenlegung vorzuschlagen, wo eine enge Verzahnung von Ortschaften vorlag. Beispielhaft seien hierbei Burggrumbach mit Unterpleichfeld, Ober- mit Unterleinach, sowie Ober- und Untereisenheim genannt.

In vielen Bürgerversammlungen hatte ich die Notwendigkeit einer Zusammenlegung mit der Bürgerschaft besprochen, was weitgehend gut ankam. Nur in Oberleinach war ich auf hinhaltenden Widerstand gestoßen. Bis kurz vor Beendigung der Freiwilligkeitsphase im Jahre 1976 hatte ich immer wieder zu einer Versammlung eingeladen. Doch es folgte niemand meiner Einladung. Immer wieder war ich mit dem Wirt allein in seiner Gastwirtschaft, was mich jedoch nicht abhielt, immer wieder zu kommen. Praktisch in letzter Minute vor einem freiwilligen Zusammenschluss kamen auch die Oberleinacher zu meiner Versammlung und stimmten letztlich einer Zusammenlegung mit Unterleinach zu. Der Bau der Leinachtalhalle und der neuen katholischen Kirche haben sicher u.a. das Miteinander befördert. Dabei danke ich dem damaligen Bürgermeister von Unterleinach, Andreas Oestemer, für seine stete Unterstützung, die wesentlich zum Zusammenschluss beider Orte beigetragen hat. Schauen wir heute in die ehemals kleinen Zwerggemeinden, die Ortsteile von größeren Gemeinden geworden sind, so sind diese prächtig herausgeputzt. Beispielhaft nenne ich hier Mühlhausen und Püssensheim, deren Einwohnerzahl ansehnlich gewachsen ist und deren bauliche Entwicklung alte Ortsgrenzen weit überschritten hat.

Die kommunale Landschaft in Bayern hat sich mit der Gemeindereform wesentlich geändert. Im Jahre 1969 gab es noch 7.073 Gemeinden. Die vom Bayerischen Landtag akzeptierte Zielplanung sah nur noch 2.039 vor. 25 kreisfreie Städte, 763 Einheitsgemeinden und 1.251 Mitgliedsgemeinden in 380 Verwaltungsgemeinschaften. Unter 1.000 Einwohner hatten zum 1. Mai 1978 nur noch 260 Gemeinden, zwischen 1.000 und 3.000 Einwohner etwa 1.000 Gemeinden, 47 haben mehr als 20.000 Einwohner. Die ursprüngliche Absicht der Staatsregierung, Gemeinden mit 5.000 Einwohner zu schaffen, scheiterte daran, dass sich viele Kommunen mit Händen und Füßen dagegen wehrten, ihre Selbstständigkeit aufgeben zu müssen. Diese „Wehrkraft“ der Gemeinden hatten auch wir in der Landtagsfraktion mit Erfolg unterstützt. Was die Wertigkeit dieser Reform betrifft, kann ich sagen, dass 90% der Gemeinden in Bayern damals dem Neuordnungskonzept zugestimmt haben. Heute hat unser Landkreis 52 Gemeinden und elf Verwaltungsgemeinschaften.

Wertgleiche Lebensbedingungen in Stadt und Land

Nun hieß es im Landkreis und in den Gemeinden rund um Würzburg wahr zu machen, was Ministerpräsident Alfons Goppel in seiner Regierungserklärung am 27. Januar 1971 als Ziel angekündigt hatte: „Wertgleiche Lebensbedingungen in Stadt und Land.“

Die Altlandkreise Würzburg und Ochsenfurt waren weitgehend landwirtschaftlich geprägt. Handwerkliche und industrielle Arbeitsplätze gab es nur wenige in unseren Gemeinden. Beispielhaft seien einige Vergleiche aufgezeigt.

1949 gab es im Altlandkreis Würzburg 5.730 landwirtschaftliche Betriebe. 1960 ging die Zahl auf 4.822 zurück. 1993 hatten wir im neuen Landkreis Würzburg 3.078 landwirtschaftliche Betriebe und im Jahre 2010 nur noch 1.508. Ein weiterer Vergleich in verschiedenen Ortschaften zwischen 1974 und 2010 zeigt überdeutlich den Wandel von einer einst landwirtschaftlich orientierten zu einer mehr gewerblich geprägten Gemeinde.

In Bergtheim gab es 1974 noch 179 landwirtschaftliche Betriebe, im Jahre 2010 waren es nur noch 47. In Greußenheim sank im gleichen Zeitraum die Zahl von 129 auf 18, in Giebelstadt von 232 auf 99, in Güntersleben von 121 auf 17, in Helmstadt von 227 auf 25, in Kürnach von 100 auf 14, in Neubrunn von 289 auf 8, in Altertheim von 220 auf 36, in Ochsenfurt mit seinen landwirtschaftlich orientierten Stadtteilen von 376 auf 113, in Röttingen von 134 auf 42, in Leinach von 226 auf 29, in Unterpleichfeld von 145 auf 46 und in Waldbüttelbrunn von 113 auf 18. Und so wie die Zahl landwirtschaftlicher Betriebe sank, wuchs die Zahl handwerklicher und industrieller Betriebe.

Setzt man diesen Zahlen die Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den Gemeinden des neuen Landkreises Würzburg am Arbeitsort gegenüber, so kann man unschwer feststellen, dass insbesondere in der Zeit von 1980 bis 2010 eine landwirtschaftliche Absatzbewegung zu Gunsten handwerklicher und industrieller Arbeitsplätze eingetreten ist, die sich in jeder Hinsicht zur Stärkung des ländlichen Bereiches auswirkt. Waren es 1980 noch 19.442 gewerbliche Arbeitsplätze vor Ort, so zeigt die Statistik im Jahre 2010 bereits 32.579 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort.

Vor Ort sieht die Zunahme der Arbeitsplätze am Wohnort in der Zeit von 1980 bis 2010 beispielhaft wie folgt aus: In Bergtheim wuchsen die Arbeitsplätze von 225 auf 490, in Estenfeld von 452 auf 736, in Gerbrunn von 564 auf 828, in Giebelstadt von 757 auf 1.980, in Höchberg von 1.379 auf 2.253, in Kürnach von 120 auf 932, in Rimpar von 634 auf 1.240, in Röttingen von 409 auf 1.028, in Rottendorf von 1.585 auf 3.919, in Veitshöchheim von 1.047 auf 3.400 und in Waldbüttelbrunn von 298 auf 1.299.

Wer am Morgen in der Stoßzeit von den Außenbereichen, zum Beispiel von Röttingen oder von Unterpleichfeld, in Richtung Würzburg fährt, der kann unschwer feststellen, dass der Berufsverkehr zu gleicher Zeit verstärkt von innen nach außen geht. Die Pendlerbewegung vom Oberzentrum Würzburg und von den Stadtrandgemeinden in die Gemeinden der Außenbereiche ist längst beglückende Wirklichkeit, was unsere sicher vernünftige Landesplanung bestätigt. Die Arbeitsplätze am Wohnort sind mehr geworden. Ein Erfolg, der wesentlich zur Stärkung des ländlichen Raumes beiträgt, ein Erfolg auch der bürgernahen Gebietsreform. Darum kann eine großräumige Eingemeindung nicht als Allheilmittel gesehen werden. Denn wirtschaftlich und finanziell starke Gemeinden sind das Rückgrat eines gesunden Landkreises und einer Region.

 

Neuorganisation der Landkreisverwaltung: die Kommunalunternehmen

Nun kurz noch ein Wort zu den Aufgaben des Landratsamtes und des Kreistages von heute. Ich zitiere hierzu Landrat Dr. Georg Schreier aus dem Buch „Herzliche Grüße aus den Gemeinden rund um Würzburg:

„Das Landratsamt des Agrarzeitalters, das Bezirksamt der Distriktsgemeinden, könnten die Aufgaben von heute nicht mehr bewältigen. Es waren Behörden, in denen der Bezirksamtmann, in denen der Distriktsrat die staatlichen Interessen und die Interessen der ihnen anvertrauten Bevölkerung mit nur wenigen Beamten wahrnahmen. Den Anforderungen der Gemeinden unserer Zeit mit ihrer hohen Lebensqualität und der Kompliziertheit unserer Umwelt und Lebensbedingungen kann nur noch durch eine Verwaltung entsprochen werden, die alle Fortschritte in Technik und Organisation voll ausnutzt, die eine Vielzahl von Beamten, Angestellten und Arbeitern unterschiedlichster Fachrichtungen beschäftigt und die mit modernen Managementmethoden geführt werden muss.“

Um im Landkreis lebenswichtige Aufgaben besser erfüllen zu können, wurde von Landrat Waldemar Zorn mit Zustimmung des Kreistages im Februar 1998 das Kommunalunternehmen gegründet. Die Zuständigkeit dieses Unternehmens erstreckt sich auf die Bereiche Abfallentsorgung, Nahverkehr, Gesundheit, Altenhilfe und Dienstleistung. Zur Durchführung dieser Aufgaben bedient sich das Kommunalunternehmen (KU) der Main-Klinik Ochsenfurt und der Praxis am Greinberg in Ochsenfurt, der Senioreneinrichtungen des Landkreises in Aub, Ochsenfurt, Eibelstadt, Estenfeld, Kürnach und Rimpar, der Seniorenwohnanlage am Hubland mit Miravilla in Würzburg, sowie mehrerer Nahverkehrsgesellschaften (NWM und APG) und der ProCura Dienstleistungsgesellschaft.

Als öffentlich-rechtliche Anstalt ist das Kommunalunternehmen auch für hoheitliche Aufgaben offen. Deshalb hat der Kreistag mit Wirkung vom 1. Januar 1999 die Aufgaben der Abfallentsorgung auf das Kommunalunternehmen übertragen. Nach der Neuorganisation der Abfallwirtschaft im Landkreis Würzburg übernahm das KU ab 1. Januar 2004 mit seinem „team orange“ auch die abfallwirtschaftlichen Aufgaben, die bis Ende 2003 die Gemeinden bzw. der Müllabfuhrzweckverband erfüllt haben.

Aufgrund der Sachnähe zu den Senioreneinrichtungen obliegt dem KU nunmehr auch der Vollzug des Pflegeversicherungsrechtes, insbesondere die Erstellung des Seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes und der Erlass von Förderbescheiden.
Seit 15. Oktober 1999 ist das Kommunalunternehmen auch zuständig für die hoheitlichen Aufgaben auf dem Gebiet des Öffentlichen Personennahverkehrs und des Personenbeförderungsrechtes. Im Jahre 2003 wurde diese Kompetenz um den Vollzug des Schulwegkostenfreiheitsgesetzes ergänzt.

 

Das Zusammenwirken von Stadt und Umland

In Ergänzung zum Kommunalunternehmen bedient sich der Landkreis auch des Mittels der Zweckverbände. So gibt es den Zweckverband Erholungs- und Wandergebiet Würzburg, den Zweckverband Tierkörperverwertung, den Zweckverband Abfallwirtschaft, den Zweckverband Berufsschule Kitzingen-Ochsenfurt, den Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung, den Zweckverband Fernwasserversorgung, den Zweckverband Abwasserbeseitigung und den Zweckverband Sing- und Musikschule. Mit dem Deutschhaus-Gymnasium Würzburg und dem Gymnasium Veitshöchheim sowie der Leopold-Sonnemann-Realschule Höchberg und der Realschule am Maindreieck in Ochsenfurt hat der Landkreis zwei Gymnasien und zwei Realschulen neben den staatlichen und städtischen weiterführenden Schulen in Würzburg zu unterhalten. Am Sachaufwand für die Wolffskeel-Realschule in Würzburg ist der Landkreis mit 40% beteiligt.

Die interkommunale Zusammenarbeit zwischen der Stadt Würzburg und dem Landkreis ist vorbildlich. Beispielhaft sei hierbei der Zweckverband Erholungs- und Wandergebiet Würzburg erwähnt, der von Stadt und Land je zu 50% finanziert wird. Gerne kommen die Städter zu den Erholungseinrichtungen im Landkreis. Ob es die Badeseen bei Erlabrunn sind, der Rad- und Wanderweg am Main bis hinaus nach Ochsenfurt, die Wanderwege in den Seitentälern des Maines oder das Walderlebniszentrum im Gramschatzer Wald, längst ist die Region für ihre Bewohner eine Einheit geworden, die in jeder Hinsicht reizvolle Angebote bietet.

Zudem laden die gastlichen Gemeinden zu kultureller und stärkender Einkehr ein. Da sind die Kunstwerke von Tilman Riemenschneider und von Peter Wagner in den Kirchen, die Wallfahrten nach Fährbrück und zur Wolfgangskapelle in Ochsenfurt oder zum Käppele auf dem Volkenberg bei Erlabrunn und nicht zuletzt sind es die Weinstuben und Heckenwirtschaften in den romantischen Winzerorten vom Maintal bis hinunter ins Taubertal, die köstliche Weine und echte heimische Spezialitäten bieten. Ja, wir sind ein gastlicher Landkreis.

Seit 1972 ist die Einwohnerzahl im Landkreis Würzburg von 141.292 Einwohner auf 159.743 Einwohner im Jahre 2011 gestiegen. Die Gemeinden sind gewachsen und der Landkreis ist nach der großen Reform noch attraktiver geworden. Gute Landräte mühten sich um stete Verbesserungen. Michael Meisner, Dr. Fritz Wilhelm, Dr. Georg Schreier und Waldemar Zorn haben Spuren hinterlassen. Die Mitglieder des Kreistages, vor der Reform 45 und ab 1972 im Vollzug der Landkreisreform 70, waren stets bemüht, mit einer gemeindefreundlichen Kreisumlage die Finanzkraft der Gemeinden zu schonen. Auch der derzeitige Landrat Eberhard Nuß pflegt das Erbe seiner Vorgänger in vorbildlicher Weise zum Nutzen und Wohlergehen der Bevölkerung.

 

Der Schatz der Vielfalt

Ja, unser Landkreis ist uns liebenswerte Heimat. Die 160-jährige Geschichte des alten Landkreises Würzburg und die 40-jährige Geschichte des 1972 geschaffenen neuen Landkreises dürfen uns rückblickend dankbar stimmen. Die kommunalen Reformen in Bayern haben sich für die Stadt und für den Landkreis Würzburg in gleicher Weise gelohnt. Die Stadt Würzburg hat sich in harmonischer Weise gegen Norden und Nordosten entwickeln können. Die Gemeinden ringsum sind organisch gewachsen und bieten nun verstärkt gute Arbeitsplätze im Ort an. Aus einem einst nahezu rein landwirtschaftlich geprägten Landkreis ist längst ein wirtschaftlich starker Raum geworden. Ja, so muss es sein. Ich persönlich sage mir: Meine 46-jährige Mitgliedschaft im Kreistag und mein Einsatz für diese Landkreisreform im Bayerischen Landtag war nicht ganz umsonst. Wir können miteinander stolz auf unseren Landkreis, auf unsere Heimat in leistungsstarken Gemeinden sein.

Nehmen wir zum Abschluss meines geschichtlichen Rückblicks ein Wort von Landrat Waldemar Zorn mit auf den Weg, das er uns im Geleitwort zum Buch „Perlen aus dem Landkreis Würzburg“ hinterlassen hat: „Mit der Landkreisreform im Jahre 1972 und der Gemeindereform im Jahre 1978 entstand der Landkreis Würzburg als eine neu erstarkte Gebietskörperschaft, die den Anforderungen einer modernen Verwaltung mit ihren vielfältigen Hoheits- und Dienstleistungsaufgaben besser gerecht werden kann. … Die Lage unseres Landkreises im Zentrum der Bundesrepublik Deutschland kann man verkehrsgeographisch als außerordentlich günstig bezeichnen. Im Schnittpunkt von Ost-West- und Nord-Süd-Autobahnen und Intercity-Verbindungen gelegen, prädestiniert ihn nicht nur als optimalen Wirtschaftsstandort, sondern auch als Tagungsregion mit einer sonst selten vorfindbaren Mischung aus urbanem Charakter und ländlicher Idylle. … Man trifft sich gerne im Landkreis Würzburg. Dort, wo Kunst und Kultur blühen, wo Geschichte auf Schritt und Tritt fassbar ist. Wo die Natur noch weitgehend unberührt ist und Bürger wie Gäste erholsame Ruhe und ein vielfältiges Freizeitangebot vorfinden. Hier leben Menschen, die sich durch ihre Gastfreundlichkeit und ihre Lebensart auszeichnen. Hier stimmt einfach alles, eben ein ‚Treffpunkt erster Wahl‘.“

Die Regionalstruktur des Landkreises ist geteilt. Neben einem strukturell hoch entwickelten und verdichteten Stadtumlandbereich prägen den Landkreis ländliche Gebiete mit zum Teil hochrangigen Bodenqualitäten und weit über die bayerischen Grenzen hinaus bekannten Weinbaugebieten sowie Erholungslandschaften im Tauber- und Gollachtal, im Maintal und im Gramschatzer und Guttenberger Wald.

Ein Spiegelbild dieser ausgewogenen Struktur sind die Anteile seiner Wirtschaftsbereiche, von denen das produzierende Gewerbe und das Dienstleistungsgewerbe je ein Drittel, Handel und Verkehr sowie Land- und Forstwirtschaft etwa je ein Sechstel einnehmen. Wichtigste Industrie- und Gewerbezweige sind die Natursteinindustrie, Nahrungs- und Genussmittelgewerbe, Eisen- und Metallverarbeitung, Textil- und Bekleidungsindustrie, Holzverarbeitung, Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik.

Ein besonderes Geschenk der Natur ist unser Frankenwein, der auf nahezu 1.000 Hektar Rebflächen mit bekannten Lagenamen wächst. Der Wein und die Winzerdörfer im Maintal helfen auch dazu, die Wirtschaftsstruktur des Landkreises durch den Tourismus zu verbessern. Die großen und kleinen Orte mit ihren verwinkelten Gassen, teils mittelalterlichen Wehranlagen und einladenden Weinstuben gehören zu Deutschlands beliebtesten Reisezielen. Die Menschen sind hier noch tief in der Tradition verwurzelt, halten alte Bräuche am Leben.

In unserem Landkreis hat sich die Gemeindegebietsreform gelohnt. Die Eigenständigkeit konnte gefestigt und die Leistungskraft konnte gestärkt werden.
Ein letztes Wort unseres damaligen Regierungspräsidenten Philipp Meyer zum Abschluss der Gemeindereform am 1. Mai 1978, der uns Abgeordnete vor Ort bei den Bürgerdiskussionen tatkräftig unterstützt hatte: „Die Gemeindegebietsreform ist nun abgeschlossen. Soweit sie von der Regierung von Unterfranken bestimmt und gesteuert werden konnte, wurde es eine Reform nach Augenmaß, die nicht in den Fehler des Gigantismus verfiel. Viele Gespräche waren dazu erforderlich. Monatelang habe ich mit den Delegationen der Dörfer und Gemeinden die örtlichen Probleme besprochen und gemeinsam mit meinen Mitarbeitern nach vertretbaren Lösungen gesucht. Ich darf heute feststellen, dass für Unterfranken im Rahmen der von der Staatsregierung vorgegebenen Richtlinien Lösungen erarbeitet wurden, die sowohl leistungsstarke als auch zeitgemäße Gemeinden geschaffen haben. Die Zukunft verlangt von den kommunalen Gebietskörperschaften, ihren Mandatsträgern und den Bürgern ein gerüttelt Maß an gutem Willen zur Zusammenarbeit auf der neuen organisatorischen Grundlage. Wenn dies auch gelegentlich schwierig und mühevoll ist, so möchte ich doch alle Bürger bitten, sich dieser Mühe zu unterziehen. Ich hoffe, dass das Werk gute Frucht trägt und insbesondere das Bewusstsein der Selbstverantwortung im örtlichen Bereich erhalten bleibt und in Zukunft eine neue Blüte erlebt.“

Das Jahrhundertwerk der Landkreis- und der Gemeindegebietsreform kann bei uns als gelungen bezeichnet werden. Wie sagte ich doch eingangs meines geschichtlichen Berichtes: Ohne Zweifel, die Stadt Würzburg ist die prachtvolle Krone unserer fränkischen Heimat. Doch rings um die Bischofsstadt sind in einer einzigartigen Vielfalt die Perlen, unsere Dörfer und Städtchen, zu bewundern, die diese Krone zieren. Ja, das ist unser Landkreis, der nach den kommunalen Reformen noch größer und schöner geworden.

Hüten und pflegen wir ihn auch in naher Zukunft als kostbaren Schatz.