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28.02.2018

"Wer schlägt, der geht!" Vernetztes Handeln bei häuslicher Gewalt / Kindeswohl im Blick von Behörden und Beratungsstellen

„Häusliche Gewalt in Familien hat letztendlich immer mehrere Opfer“. Dies betont Hermann Gabel, Fachbereichsleiter für die Sozialpädagogischen Dienste im Amt für Jugend und Familie des Landkreises Würzburg. Er erklärt: „In erster Linie ist das Opfer natürlich derjenige Elternteil, der unter der Gewalt leidet, sowie die Kinder, die diese Gewalt, oft über längere Zeit erleben und aushalten müssen, und letztendlich auch der Täter, der sich nicht selbst steuern kann.“ Die Gründe hierfür haben oft viele Ursachen. Da sind Drogen, Alkohol, Gewaltbereitschaft der eine Teil. Machtausübung, tiefe Frustration und eine psychische Disposition der andere Teil. Die Täter im Landkreis Würzburg sind in den meisten Fällen männlich, es gibt aber auch vereinzelt Frauen, die häusliche Gewalt ausüben.

Kindeswohl als zentrales Anliegen

Um den betroffenen Kindern besser helfen zu können, die Opfer zu unterstützen, aber auch den Tätern zu helfen, trafen sich 30 Fachkräfte aus den Bereichen Sozialdienst, Polizei, Beratungsstellen, Erziehungs- und Familienhilfe und Frauenhaus im Jugendamt des Landkreises zu einem fachlichen Austausch.
Das Ziel war, eine bessere Vernetzung und Kooperation im Landkreis Würzburg sicherzustellen.

Kriminalhauptkommissarin Mona Lier vom Polizeipräsidium Unterfranken informierte über die Aufgaben der Beauftragten der Polizei für Kriminalitätsopfer, über Grundzüge des Gewaltschutzgesetzes und über die Kooperation mit anderen Behörden.

Wer schlägt, der geht

Die Polizei hat die gesetzliche Möglichkeit, zur unmittelbaren Gefahrenabwehr und Befriedung der häuslichen Gewalt einen Platzverweis gegen den Täter auszusprechen, der dann in ein vom Amtsgericht/Familiengericht richterlich angeordnetes Annäherungsverbot münden kann. „Hier wirkt auch das Jugendamt bereits aktiv mit“, berichtet Diplom-Sozialpädagoge Roman Menth, der für die Koordination in Fällen von Familiengewalt im Kreisjugendamt zuständig ist. Durch diese polizeilichen und gerichtlichen Maßnahmen wird sichergestellt, dass der betroffene Elternteil und die Kinder in der Familienwohnung verbleiben können.

Die Fälle, die in den für den Landkreis zuständigen Polizei-Inspektionen Würzburg-Land und Ochsenfurt auftreten, werden dort von eigens geschulten polizeilichen Schwerpunkt-Sachbearbeiterinnen bearbeitet. In rund 34 Prozent der Fälle von häuslicher Gewalt sind minderjährige Kinder betroffen; zumeist als teilnehmende, aber psychisch leidende Beobachter.

Kinderängste wahrnehmen

Evelyn Bordon-Dörr als zuständige Koordinatorin des Allgemeinen Sozialdienstes (ASD) berichtete, dass das Jugendamt jede Meldung der Polizei nach Aspekten von Kindeswohlgefährdung überprüft: „Sind die Kinder und Jugendlichen in den meisten Fällen zwar nicht der direkten körperlichen Gewalt ausgesetzt, bleiben jedoch tiefe Verunsicherung, Vertrauensverlust und Ängste zurück, die eine gute psychische Entwicklung nachhaltig hemmen“.

Wie das Jugendamt dabei standardisiert vorgeht und wie die Besonderheiten in der Landkreisfläche sind, berichten die Diplom-Sozialpädagoginnen Evelyn Bordon-Dörr und Christine Schidla sehr praxisbezogen anhand von Fällen aus dem ASD.

Pro-aktive Beratung vor Frauenhaus

Ein relativ neues Beratungsangebot stellte Franziska Boes vom Frauenhaus des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) vor, das als Kooperationsprojekt der Träger der beiden Würzburger Frauenhäuser der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und SkF angeboten wird. Dieses „zugehende“ psychosoziale Angebot richtet sich an Frauen, die von häuslicher Gewalt, sexualisierter Partnergewalt oder Stalking durch den (Ex-)Partner betroffen sind und wenn ein Polizeieinsatz vorausgegangen ist. Außerdem beteiligt sich der SkF mit bundesweit 40 Ortsvereinen am Gemeinschaftsprojekt „Gewaltlos“, das von der Bundesregierung gefördert wird. In einem Internetforum können sich Mädchen und Frauen, die öfter von Gewalt betroffen sind, melden und anonym beraten lassen.

Mit den Tätern arbeiten

„Die Arbeit mit den Tätern ist ebenso wichtig wie der Schutz der Opfer“, stellte der Würzburger Fachmann Herbert Wimmer von der Beratungsstelle Man-Power der AWO fest. „Krisen sind keine Einbahnstraßen. Betrachten wir sie als Herausforderung und ersten Schritt zur Veränderung“. In telefonischer und persönlicher Einzelberatung, Männergruppen und Familienrunden versucht Wimmer Täter und Opfer zu unterstützen und wo möglich, eine Klärung und einen Neubeginn im Rahmen der Gewaltprävention herbeizuführen. Die Täter kommen auch im Landkreis Würzburg aus allen Schichten der Gesellschaft.

Gewalt durch stärkere Zusammenarbeit bekämpfen

„Eingebunden in feste Abläufe und Kommunikationsstrukturen können wir Gewalt in Familien, wo sie passiert ist, aufarbeiten, wo es notwendig ist, individuelle Hilfen installieren und dafür sorgen, dass sich Gewalt in Familien nicht mehr wiederholt“, resümierte Hermann Gabel aus Sicht des Jugendamtes als Fazit der Veranstaltung.

Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen"

Mit dem Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" gibt es unter der kostenlosen Telefonnummer 08000 - 116 016 Unterstützung und Hilfe bei allen Formen von Gewalt gegen Frauen. Neben den betroffenen Frauen können sich auch Angehörige, Freunde und Menschen aus dem sozialen Umfeld sowie Fachkräfte an das Hilfetelefon wenden. Das Hilfetelefon ist rund um die Uhr erreichbar, die Beratung ist vertraulich, kostenlos und wird in 18 Sprachen angeboten.