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01.06.2014

Eine israelisch-deutsche Herzensangelegenheit

Besuch aus dem israelischen Partnerlandkreis Mateh Yehuda

Eine Woche lang war eine 20-köpfige Delegation aus dem israelischen Partnerlandkreis Mateh Yehuda Gast des Landkreises Würzburg. Die Woche begann erlebnisreich mit einem Besuch in München, einigen Firmenbesuchen im Landkreis Würzburg sowie im „Shalom Europa“. Besonders beeindruckend war für die Gäste der Besuch in der jüdischen Kreisgedenkstätte, die sich in der ehemaligen Synagoge in Gaukönigshofen befindet.  

Besuch in der jüdischen Gedenkstätte in Gaukönigshofen

Gelb wie die Sonne sind diese Rosen. Fasziniert hält Sharon Katz ihre Nase tief in eine große Blüte. „Rosen wachsen bei uns nicht, es ist viel zu heiß“, sagt sie in perfektem Englisch.

Katz ist eine von 18 Teilnehmern der Delegation aus dem israelischen Partnerlandkreis Mateh Yehuda, die seit vergangenen Sonntag im Landkreis Würzburg zu Gast ist. Bei ihrem ersten Rundgang durch Gaukönigshofen schnuppert sie aber nicht nur den Duft der wunderschön blühenden Rosen sondern taucht auch tief ein in die jüdische Vergangenheit des Ortes.

Seine Wurzeln zu kennen, ist wichtig, sagt sie. Ihre liegen zwar nicht in Deutschland, aber in Europa, in Polen. Die Heimat ihrer Mutter hat sie letztes Jahr besucht. Die Geschichte zu kennen und zu verstehen, was passiert ist während des Holocaust, trage zum gegenseitigen Verständnis zwischen Israelis und Deutschen bei. „Es ist schön, ein anderes Deutschland kennen zu lernen und nette Leute zu treffen“, sagt sie.

Tief beeindruckt sind die Besucher von der gut erhaltenen jüdischen Synagoge Gaukönigshofens, die nur deshalb noch steht, weil man Angst hatte, die direkt angrenzenden Bauerhöfe mit ab zu brennen, erklärt Bürgermeister Burkhard Rhein. Seit 1988 beschäftigt er sich intensiv mit der jüdischen Geschichte seiner Heimat. Auch wenn das nicht immer auf Verständnis stieß. Die Narben seien eben immer noch tief.

Einhundert Juden lebten einst in Gaukönigshofen, immerhin 20 Prozent der Bevölkerung. Die letzten 29 jüdischen Mitbürger wurden 1942 nach Izbica in Polen und nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet. Ihre Namen stehen auf einer Gedenktafel, vor der die Gäste aus Israel tief bewegt stehen.

Gegen das Vergessen sollen auch die sogenannten Stolpersteine sein, die zum Gedenken an die Deportierten vor ihren Wohnhäusern in das Pflaster gelegt wurden. „Verzeihen kann man nicht, aber vergessen sollte man das alles auch nicht, das Gedenken muss man aufrecht erhalten“, meint Rhein. Und so kommen immer mehr jüdische Familien aus den USA und Israel aber auch andere Interessierte zur Kreisgedenkstätte nach Gaukönigshofen, erzählt der Bürgermeister. Auf der Suche nach den Wurzeln und Spuren ihrer eigenen Geschichte.

Mit den Spuren jüdischer Geschichte beschäftigten sich auch israelische und deutsche Jugendliche in einem gemeinsamen Projekt, das Kreisjugendpfleger Klaus Rostek der Delegation vorstellte. Ein kleines Büchlein in deutscher Sprache ist 2013 daraus entstanden – von Jugendlichen speziell für Jugendliche.

Ein beeindruckendes Projekt, sagt Rifka Shahaf-Scherpf. In Israel ist sie geboren, seit 35 Jahren lebt sie in Deutschland. Als Dolmetscherin und Mittlerin zwischen den Völkern begleitet sie seit langen die Delegationen bei den gegenseitigen Besuchen.

Weiter führt der Weg vorbei an der alten Mikwe, dem jüdischen Ritualbad, zum sogenannten Schutzjudenhaus, dem damaligen Armenhaus für Juden. Der Schutzjude, eine Art Obmann, lebte in einem kleinen Wasserschlösschen, das aber in den 1960er Jahren abgerissen wurde. Das Schutzjudenhaus konnte die Gemeinde retten, es wurde für 150 000 Euro renoviert, sagt der Bürgermeister. 90 Prozent gab es als Zuschuss dafür vom Staat. Heute ist es das einzige seiner Art in ganz Bayern.

Im Schnelldurchlauf geht es weiter durch die jüdische Vergangenheit, denn die nächsten Stationen warten schon. Die Ernsthaftigkeit, mit der man hier in der Region die Erinnerung an die jüdischen Mitbürger wachhält, beeindruckt Dafna Ashtar, Leiterin der israelischen Delegation, sehr. „Meine Großeltern stammen aus Berlin und ich habe eine besondere Beziehung dazu“, sagt sie. Diese gegenseitigen Besuche seien Hoffnung für die Zukunft und die Liebe zwischen den Völkern.

Abschiedsabend im „Frankenhof“  in Höchberg

Am Samstagabend hieß es Abschied nehmen nach eindrucksvollen Tagen in München und Mainfranken. Der Delegation gehörten neu gewählte Bürgermeister und Kreisräte aus dem Landkreis Mateh Yehuda sowie Mitarbeiter des Landkreises an, begleitet von Eran Ohana als Partnerschaftsbeauftragten. Eine Besonderheit Mateh Yehudas sind zwei Dörfer, in denen arabische und jüdische Israelis gemeinsam leben. Dies spiegelte sich auch in der Besetzung der Delegation wider.

„Wir haben zwei große Aufgaben“, betonte beim Abschiedsabend die Delegationsleiterin Dafna  Ashtar, die auch Grüße von Landrat Moshe Dadon überbrachte. „Zum einen müssen wir die Erinnerung an den Holocaust und die jüdische Geschichte in Deutschland wachhalten. Zum anderen dürfen wir auch optimistisch in die Zukunft unserer Völker blicken, und hierzu braucht es die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Israel.“ Ashtar dankte Landrat Eberhard Nuß und seinen Mitarbeitern für eine Woche voller Eindrücke, die beides, das Erinnern wie auch das Erleben der deutschen Gegenwart, ermöglichte.

Ein großes Dankeschön von beiden Seiten ging an die Lehrerin und Dolmetscherin Rivka Shahaf-Scherpf aus Margetshöchheim, die seit vielen Jahren die Partnerschaft mit ihren Sprachkenntnissen und mit viel Herzlichkeit und Herzblut unterstützt.

„Es war auch in dieser Woche wieder spürbar, dass unsere Partnerschaft, die bereits 1997 von meinem Vorgänger Waldemar Zorn begründet wurde, für beide Seiten eine Herzensangelegenheit ist“, betonte Landrat Eberhard Nuß in seinen Abschiedsworten. „Zu Beginn der Woche lernt man sich kennen, und am Ende geht man als Freunde auseinander. Dies ist der wichtigste Baustein für das gegenseitige Verständnis und ein Schritt auf dem Weg zu Frieden und Versöhnung“, so der Landrat weiter. Besonders der intensive Austausch von Schülergruppen, der bereits seit 1990 besteht und von Beginn an von Klaus Rostek begleitet wird, sei dabei sehr wertvoll.

Eindrücke von München bis Zell

Auf dem Programm der Delegation stand ein Aufenthalt in München, wo nicht nur das Olympiastadion und die BMW-Welt beeindruckten. Beim Besuch in Dachau legte die Gruppe einen Kranz nieder und gedachte der Opfer des Holocaust in einer ergreifenden Zeremonie.

Im Landkreis Würzburg stand die Geschichte des Landjudentums im Vordergrund: Besuche in der Kreisgedenkstätte, der ehemaligen Synagoge von Gaukönigshofen, gehörten ebenso dazu wie die Besichtigung des Judenhofs mit Laubhütte in Zell a.Main und ein Besuch im Shalom Europa in Würzburg.

Auch das Modeimperium s.Oliver empfing die Delegation in Rottendorf zu einem Informationsbesuch und stellte sich als Global Player vor. Weil auch der fachliche Austausch auf verschiedenen Gebieten eine Rolle spielt, lernten die Gäste das Juliusspital Würzburg als Krankenhaus und Weingut kennen. Zum Thema Energie standen ein Besuch des Solarfeldes auf der ehemaligen Mülldeponie bei Uettingen sowie die Firma Jurchen Technologies in Helmstadt auf dem Programm.

Der fachliche Austausch soll intensiviert werden: Im nächsten Jahr wird eine Delegation des Kommunalunternehmens des Landkreises Mateh Yehuda besuchen und sich dort vor Ort über Senioreneinrichtungen, den ÖPNV und vieles mehr informieren.

Ein besonderer Dank galt Michael Berghammer vom Hotel Frankenhof in Höchberg, der mit seinem Team sehr bemüht war, den Gästen alle Wünsche zu erfüllen. Dazu gehörte auch koscher zubereiteter Fisch am Shabbat-Abend.

Im Oktober gratuliert Landrat Eberhard Nuß gemeinsam mit einer Delegation der Kreistagsfraktionen dem israelischen Partnerlandkreis zum 50. Geburtstag.

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