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01.03.2023

Wiesenweihe schützen und trotzdem Entwicklungen im Landkreis Würzburg verwirklichen Bürgermeister diskutieren über Artenschutz

Landrat Thomas Eberth lädt regelmäßig die 52 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zu einer Arbeitstagung ein, bei der für alle Gemeinden wichtige Belange besprochen werden. Diesmal ging es unter anderem um den Schutz der Wiesenweihe, einem streng geschützten - seit 1994 wieder heimischen - Greifzugvogel.

Im Landkreis Würzburg besteht ein umfangreiches Vogelschutzgebiet „Ochsenfurter und Uffenheimer Gau und Gäulandschaft nordöstlich Würzburg“ als „Wiesenweihenschutzgebiet“, das rund 22.161 Hektar Fläche umfasst. Betroffen sind hiervon die Gemeinden Hausen, Bergtheim, Prosselsheim, Kürnach, Unterpleichfeld, Oberpleichfeld, Bütthard, Kirchheim, Giebelstadt, Gaukönigshofen, Sonderhofen, Gelchsheim, Riedenheim, Aub und Ochsenfurt.

In Vogelschutzgebieten (Natura 2000-Gebiet) muss jedem Bau- oder Planungsvorhaben eine Verträglichkeitsprüfung vorgeschaltet werden. Hier wird auch überprüft, welche Projekte in dem Gebiet bereits umgesetzt oder zugelassen sind, die eine Auswirkung auf das Brut- und/oder Nahrungshabitat der Wiesenweihe und der anderen gelisteten Vogelarten haben.

Derzeit sind durch entsprechende Projekte bereits rund sieben Hektar Habitatsflächenentzug im Schutzgebiet anzusetzen. Die Schwelle von zehn Hektar darf einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen nicht überschritten werden, denn ab dieser wird von einer erheblichen Beeinträchtigung der Wiesenweihe ausgegangen.

Thomas Pabst, Fachbereichsleiter der Unteren Naturschutzbehörde, stellte den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern zwei Varianten vor, wie durch vorgezogene projektunabhängige Aufwertungsmaßnahmen für die Wiesenweihe künftige Projekte (Habitatsverlust < 10 ha) dennoch ermöglicht werden können, ohne der geschützten Art zu schaden. Pabst betonte: „Gemeinden sollten immer rechtzeitig mit der Unteren Naturschutzbehörde Kontakt aufnehmen, um geplante Vorhaben im WW-Schutzgebiet zu besprechen und verträgliche Lösungen zu suchen.“

„Wir brauchen umsetzbare Lösungen für Menschen, Tiere und Natur, jeder muss Platz zum Entwickeln und Leben haben“, so die Tendenz aus den Reihen der Bürgermeister. Daher muss auch die weitere Entwicklung möglich sein. Reine Blockaden wie beispielsweise durch die Wiesenweihe bei der Planung und Umsetzung der Ortsumgehung B19 helfen weder dem Tier noch den Menschen, denn erfolgreiche umgesetzte Ausgleichskonzepte bei Maßnahmen haben zum Beispiel beim Feldhamster oder auch der Wiesenweihe einen Populationsaufbau und eine Stabilisierung überhaupt möglich gemacht.

„Gerade bei der Wiesenweihe ist es durch ein vernünftiges Miteinander zwischen Landwirten und Behörden gelungen, einen neuen Bestand zu etablieren und dadurch spricht selbst die LBV-Kreisgruppe Main-Spessart von einer Naturschutz-Erfolgsgeschichte Wiesenweihe und vom Wunder von Mainfranken“, erinnert Landrat Thomas Eberth. „Dieser Erfolg darf jetzt nicht zum extremen Nachteil für die Menschen werden“, so der Landrat.

Hintergrund:

Als 1994 auf der Mainfränkischen Platte zwei Wiesenweihenpaare auftauchten, konnten die ansässigen Naturschützer und Vogelkundler nicht ahnen, dass ihnen der wohl spektakulärste Erfolg im mitteleuropäischen Arten- und Biotopschutz bevorsteht.

Von dieser zierlichen Greifvogelart waren in den achtziger Jahren nur noch zwei Brutplätze im Donauraum und ein Vorkommen im voralpinen Moor- und Hügelland bekannt. Bis heute zählt die Wiesenweihe neben Kornweihe und Schreiadler zu den gefährdetsten und seltensten Greifvögeln Mitteleuropas. Feuchte Wiesen und Moore mit Schilf, Seggen und niedriger Buschvegetation bildeten den bevorzugten Lebensraum.

Die Meldungen, dass Wiesenweihen in Getreideäckern Brutversuche unternehmen würden, veranlasste eine Hand voll Naturfreunde, den Schutz dieser gefährdeten Art zu organisieren. Die Horstplätze in den Wintergerstefeldern um Uttenhofen und Sächsenheim wurden erkundet, Grundstückseigentümer ermittelt und zusammen mit den Landwirten Horstschutzzonen ausgewiesen. Entschädigungen für Ernteausfall und die erschwerte Bearbeitung wurden über Landschaftspflegemittel finanziert.

80 Paare brüten
Die hervorragende Kooperation mit den Landwirten und der ehrenamtliche Einsatz der Naturschützer bildeten die Basis für eine in den vergangenen zehn Jahren einzigartige Erfolgsstory: Die Wiesenweihen von damals zogen acht Jungvögel auf. 2002 brüteten bereits 80 Paare in den Landkreisen Würzburg, Kitzingen, Schweinfurt und Neustadt/Aisch. 2005 wurden bayernweit etwa 140 Brutpaare festgestellt, 125 Brutpaare davon alleine in Mainfranken.

Die rund 430 Jungvögel profitierten im vergangenen Jahr besonders von der extremen Mäusepopulation. Kleinsäuger bis Wühlmausgröße, Kleinvögel und Insekten bilden die Hauptnahrung dieser kleinen Weihenart. Durch Beringung der Jungweihen wurde festgestellt, dass die "fränkischen" Wiesenweihen die Bestände in Hessen, Nordrhein-Westfalen, aber auch in Frankreich und Holland stützen und somit Mainfranken das effektivste "Lieferbiotop" Mitteleuropas darstellt.

Einer extrem gefährdeten Vogelart konnte somit durch ein beim LBV (Landesbund für Vogelschutz in Bayern) angesiedeltes Artenhilfsprogramm eine positive Zukunft geboten werden. Die Basis für dieses Wunder in Mainfranken ist die gute Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Naturschutz vor Ort und das vorbildliche Engagement aller Beteiligten.