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12.06.2013

10. Forum Jugendhilfe

Kinder werden immer wertvoller
Landkreis Würzburg stellt sich der Herausforderung des demographischen Wandels

So eklatant wie in anderen Regionen Bayerns wird der Rückgang der Zahl junger Menschen im Landkreis Würzburg nicht sein. „In manchen Regionen reduziert sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen zwischen 0 und 18 Jahren bis 2015 um fast 30 Prozent“, erläuterte der Stuttgarter Sozialplaner Dr. Ulrich Bürger beim 10. Forum Jugendhilfe im Würzburger Landratsamt. Im Kreis Würzburg beträgt das Minus „nur“ 15 Prozent. Doch auch dieser vergleichsweise geringe Rückgang bietet Handlungsbedarf.
 
Anders als in Italien, Frankreich oder gar den skandinavischen Ländern sind in Deutschland die Bildungschancen eng an die soziale Herkunft gekoppelt. „Das ist seit langem ein Skandal“, kritisierte Bürger. Angesichts des demographischen Wandels könne man sich diese Ungerechtigkeit sozialpolitisch jedoch weniger denn je leisten: „Kinder, Jugendliche und Familie werden zu einem enorm knappen Gut“, das vor allem durch Bildung bestens gefördert und unterstützt werden müsse. Der Schwenk zu mehr Bildung als präventives Angebot des Jugendamts ist im Landkreis Würzburg laut Jugendamtsleiter Hermann Gabel nahezu vollzogen: „Nun müssen wir weiter aufmerksam an der Ausgestaltung arbeiten“. So fördert das Landratsamt Familienbildung in verschiedenen Formen und, was in der kommunalen Landschaft Bayerns einzigartig ist, den Übergang von Mittel- und Förderschülern in den Beruf.
 
Vom Handwerk bis hin zur IT-Branche wird laut darüber geklagt, dass es nicht mehr genug Auszubildende gibt und ein Fachkräftemangel droht. Fraglich ist für Ulrich Bürger, ob tatsächlich genug getan wird, um das Potenzial, das in jungen Menschen steckt, zu heben und zu fördern. Die Erwerbstätigenquote in der Altersgruppe der 20- bis 64-Jährigen in Bayern betrage lediglich 75 Prozent. Eine Menge Menschen sind also nicht in ökonomische Prozesse eingebunden.
 
Ein Teil stand, da ohne Abschluss, schon direkt nach der Schule vor dem Nichts. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden auch die Kinder dieser jungen Menschen keinen guten oder ebenfalls gar keinen Abschluss schaffen, in prekärer Beschäftigung oder in Erwerbslosigkeit landen, so Bürger. Dass diese Analyse die Praxis widerspiegelt, bestätigte Professor Gunter Adams von der Evangelischen Jugendhilfe in Würzburg: „Wir kennen über Generationen hinweg die gleichen Familien.“
 
Es sei bisher noch nicht gelungen, die Weichen in der Jugendhilfe so zu stellen, dass Familien in prekären Lebensumständen den Teufelskreis der Armut nachhaltig durchbrechen. Adams: „Über Erziehung und Bildung müssen wir dringend zu einer wirksamen Jugendhilfe kommen, so dass die nächste Generation nicht ebenfalls wieder unter die Armutsgrenze rutscht.“
 
In einer methodisch ausgefeilten Studie, die im September veröffentlicht werden soll, entschlüsselte Bürger das Paradoxon, dass die Ausgaben für Jugendhilfe steigen werden, obwohl die Zahl der jungen Menschen sukzessive abnimmt. Er bestätigte die Aussage mehrerer Würzburger Experten, dass dies zum einen mit der durch prekäre Jobs wachsenden Armut in der Gesellschaft zusammenhängt. „Kinder aus Familien, die Sozialleistungen beziehen, benötigen 23 Mal mehr stationäre Hilfe als Kinder aus nicht armen Familien“, so Bürger. Besonders hoch sei die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind Jugendhilfeleistungen braucht, wenn es aus einer Patchworkfamilie stammt.
 
Weder Armut noch ungünstige Familienkonstellationen lassen sich so einfach beseitigen. Dennoch kann vor Ort einiges getan werden, um die Bildungs- und Teilhabechancen von Kindern zu erhöhen und schwierigen Entwicklungen früh gegenzusteuern. Wichtig ist eine gute Lobbyarbeit, so stellvertretende Landrätin Elisabeth Schäfer: „Uns Kommunalpolitikern muss es gelingen, die Belange der Kinder und Jugendlichen, die Hilfe brauchen, klarzustellen. Wir müssen dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche gute Entwicklungschancen haben.“
 
In seinem Ausblick auf die nächsten Schritte zur Weiterentwicklung der Jugend- und Familienhilfe im Landkreis verwiesen Gabel und sein Stellvertreter Klaus Rostek auf den geplanten Ausbau der Familienstützpunkte als niedrigschwellige Bildungsmaßnahme.
 
Auch wurde in den letzten Jahren konsequent in ein qualitativ hohes Netz ambulanter Erziehungshilfen im Landkreis investiert, wie Monika Bach von der Mobilen Jugendbetreuung der Jugendhilfe Creglingen und Beppo Jaroschewski von der Sozialpädagogischen Familienhilfe der Arbeiterwohlfahrt bestätigen konnten. Dass oft schon kleinere Hilfen ausreichen, etwa der Einsatz von Familienpaten, bestätigte Monika Sporer vom Kreisjugendamt: „Einmal drei Stunden in der Woche für sich zu haben, das kann für eine allein erziehende Mutter immens entlastend sein.“

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