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28.11.2013

Frauenpolitischer Abend mit Landrat Nuß
"Wir sind einfach zu leise, wir müssen lauter werden!"

Ein Herz für Frauen hat offensichtlich Landrat Eberhard Nuß. Wohl deshalb hatten er und die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises, Gabi Rottmann-Heidenreich, zu einem politischen Abend speziell für Frauen ins Landratsamt eingeladen.

Wie geht es den Frauen im Landkreis Würzburg? Bei der Arbeit. Im Ehrenamt. In der Familie. Wo drückt der Schuh? Das alles wollte man wissen. Gekommen waren überwiegend ehrenamtlich aktive Frauen, Gemeinde- und Kreisrätinnen. Gerade in der Kommunalpolitik seien die Frauen wichtig, weil „sie eine andere Sichtweise“ haben, betonte Rottmann-Heidenreich. Mitwirken und sich einbringen heiße deshalb die Devise. Dafür gebe es auch die Unterstützung der Gleichstellungsstelle des Landratsamtes.

Freilich war der sonst eher nüchterne Sitzungssaal, den Landrat Nuß als „Denkfabrik“ bezeichnete, mit weißen Tischdecken fein herausgeputzt. „Fehlt nur noch der Oberkellner“, schmunzelte der Chef des Landkreises, den er, bevor die Frauen zu Wort kamen, stolz vorstellte. Wer einen großen Flächenlandkreis mit 160 000 Menschen verwalten will, braucht eine gute Organisation. Im Landratsamt Würzburg kümmern sich 530 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in über 20 Fachabteilungen täglich um die Belange der Bürger.

Landratsamt ist familienfreundlicher Arbeitgeber

Stolz ist der Landrat, so betonte er, ein familienfreundlicher Arbeitgeber zu sein. Gleiche Löhne für die gleiche Arbeit für Männer und Frauen, und gerne hätte er mehr Frauen in Führungspositionen. Aber das sei gar nicht so einfach. Einige gibt es aber doch. Im Kreistag sieht es allerdings mit 22 Frauen und 48 Männern schlechter aus.

Dennoch: Im Landratsamt herrschten nahezu traumhafte Bedingungen für Mütter und Väter, die wieder aus der Elternzeit kommen, ergänzte Rottmann-Heidenreich. Das sei aber eine Besonderheit des öffentlichen Dienstes. In der freien Wirtschaft sei das problematischer. Frauen müssten oft kündigen, weil sie die vom Arbeitgeber erwartete Mobilität und Flexibilität mit einem Kleinkind nicht vereinbaren könnten. „Die Gesellschaft muss wieder mehr Wert darauf legen, mit Kindern zu leben“, forderte sie.

Dreifache Belastung: Familie, Beruf, Ehrenamt

Frauen, die derartig unter Druck stehen, haben keine Kapazitäten mehr, sich politisch zu engagieren, meinte Moderatorin Pat Christ. Wie das bei jungen Frauen aussieht, erläuterte Kreisrätin Martina Schmitt: „Beruf und Ehrenamt kann ich gut unter einen Hut bringen, weil ich keine Familie habe.“ Viele Frauen mit Kindern könnten das aber nicht. Auch müssten viele Firmen noch dazu lernen, was flexiblere Arbeitszeiten für Mitarbeiterinnen angeht.

Bei Maria Leutner, Gemeinderätin aus Giebelstadt, lässt sich der Beruf nicht so einfach mit dem Ehrenamt verbinden. „Weil ich im Schichtdienst arbeite, muss ich grundsätzlich Termine für die Gemeinderatssitzung freitauschen“, bemängelte sie. Früher sei man dafür freigestellt worden. Eigentlich werde man bestraft, wenn man ein Ehrenamt ausübt, bestätigte Kreisrätin Christine Haupt-Kreutzer aus Margetshöchheim. Es sei immer ein Kampf, für die Sitzungen frei zu bekommen. Da sei die Politik gefragt, um zu erreichen, dass Frauen in der freien Wirtschaft für das Ehrenamt freigestellt werden.

Lust auf Kommunalpolitik wollte der Landrat den Frauen dennoch vermitteln. „Sie ist das Herz unserer Demokratie, hier werden die Geschicke der Menschen bestimmt, hier sind wir dem Bürger am nächsten und können am meisten bewegen. Gestalten Sie mit uns die Heimat“, sagte er. Als er 1984 als Gemeinderat in Bergtheim begann, sei dies noch ein völlig „frauenfreies Territorium“ gewesen. Erst 1996 habe sich das geändert.

Frauen haben mehr Selbstzweifel

„Frauen müssen besser sein, wenn sie ein politisches Mandat haben, denn sie werden wesentlich kritischer beäugt“, das ist die Erfahrung der stellvertretenden Landrätin Elisabeth Schäfer.

Das Thema Frauen in Führungspositionen sprach Pat Christ an: „Frauen trauen sich nicht so recht, fragen sich, ob sie das alles schaffen, und stecken in vielen Fällen zurück.“ Frauen sind ein Leben lang gefordert, erst, solange die Kinder klein sind und später, wenn Eltern und Schwiegereltern krank oder pflegebedürftig werden. Auch das wurde in einer äußerst lebhaften Diskussion deutlich.

Und vieles andere mehr wie beispielsweise Frauen und Finanzen, Kleinkind- und Nachmittagsbetreuung, Frauen in sozialen Berufen, Solidarität, familiäre Verantwortung, feminine Ökonomie sowie das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen, das in keinem anderen europäischen Land so krass sei wie in Deutschland. Auch hier gebe es noch viel zu tun. „Wir sind einfach zu leise, wir müssen lauter werden“, meinte Maria Leutner.