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11.06.2015

Mehr Zeit zusammen haben:

Kreisjugendamt geht erste Schritte in Richtung „Kommunale Familienzeitpolitik“

Montagmorgen, der Sohn liegt im Bett und klagt über Bauchschmerzen. Hektik! Wer bleibt nun bei ihm zu Hause? Papa oder Mama? Wer kann seine geschäftlichen Termine heute am ehesten verschieben? Wer bringt nun die Tochter zur Schule? Kaum eine Familie, die eine solche Situation nicht kennt. Wie Familien geholfen werden kann, darüber wurde beim 14. „Forum Jugendhilfe“ des Kreisjugendamtes unter den rund 60 Teilnehmern lebhaft diskutiert.

Familien brauchen Geld. Deshalb müssen Papa und Mama arbeiten gehen. Familien brauchen aber auch Zeit. „Ohne Zeit ist Familie nicht möglich“, betonte Professor Helmut Schneider bei der von Landrat Eberhard Nuß am Mittwoch eröffneten Veranstaltung. Deshalb sollte Familie und Beruf möglichst gut zu vereinbaren sein, was trotz Gleitzeit nach wie vor oft nicht der Fall ist. Der Job kollidiert immer noch mit den Öffnungszeiten von Kita und Ganztagsschule, mit den Besuchszeiten beim Arzt und bei Behörden.

Die Problematik ist bekannt, allerdings geschah in den vergangenen Jahren zu wenig, um Familien in ihrer Zeitnot zu helfen. Dies wiederum liegt nicht unbedingt daran, dass die einzelnen Akteure, also Eltern, Arbeitgeber, Kommunen und Dienstleister, sich dagegen sträuben würden, etwas an der Situation zu ändern. Ein Grundproblem der bisherigen Debatte liegt laut Helmut Schneider darin, dass die diffus von allen Beteiligten empfundene, chronische Zeitnot nicht genau analysiert wurde. „Doch ohne fundierte Diagnose keine fundierte Therapie“, so der Wissenschaftler aus Berlin, der am 8. Familienbericht der Bundesregierung mitgewirkt hat.

Wenn man ehrlich ist, muss man ja auch zugeben: Es gibt durchaus Zeit. Zeit, die abends vor dem Fernseher, die mit einem Buch oder bei einem Stadtbummel verbracht wird. Nur wenige Familien sind in „absoluter Zeitnot“: Sie haben in Beruf, Familie und Ehrenamt, mit der Kindererziehung, der Pflege eines Angehörigen und als Vorstand im Verein so viel zu tun, dass die täglichen 24 Stunden nie ausreichen. Doch die Mehrheit der Familien findet schlicht keine gemeinsamen Zeitfenster. Das Kind benötigt wegen unklarer Hausaufgaben genau jetzt Zeit – wo man doch noch eine wichtige Besprechung absolvieren muss. Am Abend, wenn Mama und Papa Zeit hätten, liegt der Sohn bereits im Bett.

Familien, die fühlen, dass die Zeitnot eigentlich ein Mangel an gemeinsamer Zeit ist, tun Schneider zufolge gut daran, ihre Zeit besser zu „managen“. Vielleicht lässt sich ja der Arbeitgeber auf veränderte Arbeitszeiten ein? Vielleicht lassen sich wichtige Telefonate doch eher in den Abend verlegen? Oder muss eine Weiterbildung vor Ort absolviert werden? Ginge nicht auch ein eLearning-Kurs?

„Zeitsouveränität“ lautet hierzu das Stichwort. Kinder haben diese Zeitsouveränität nicht. Sie müssen zu bestimmten Zeiten in der Schule sein. Erwachsene haben oft größere Möglichkeiten, ihre Zeit so einzuteilen, dass zumindest etwas mehr gemeinsame Familienzeit möglich wird. Auch kann sich Zeit effizienter nutzen lassen. So kann man auf der Zugfahrt dösen. Oder etwas erledigen, was ohnehin ansteht.

Der Landkreis Donau-Ries gehört in Sachen „Kommunaler Familienzeitpolitik“ zu den Vorreiterkommunen in Bayern. In „Zeitwerkstätten“ entwickelten die Bürgerinnen und Bürger gute Ideen, wie es gelingen könnte, dass Eltern und Kinder mehr Zeit gemeinschaftlich verbringen können. Oft waren es Kleinigkeiten, die auf große Resonanz stießen. „Wir richteten zum Beispiel eine Plattform mit allen Terminen von Flohmärkten und Kinderkleiderbasaren im Landkreis ein“, berichtete Familienbeauftragter Günther Katheder-Göllner. Das klingt unspektakulär. Hilft vielen Familien jedoch, weil sie nun nicht mehr mühsam Zeitungen und Anzeigenblätter nach Terminen durchschauen müssen.

Beim anschließenden World-Café wurden diese und viele weitere Ideen lebhaft diskutiert. Die Teilnehmer des Forums Jugendhilfe könnten sich gut vorstellen, eine solche Plattform auch im Kreis Würzburg zu installieren. Außerdem wäre es in ihren Augen gut und zeitsparend, wenn sämtliche Ferienangebote gebündelt auf der Homepage des Landkreises abrufbar wären.

Nähere Informationen zum Thema: www.kreisjugendamt-wuerzburg.de oder Mail: kreisjugendamt@lra-wue.bayern.de.

Das nächste „Forum Jugendhilfe“ findet am 26. November 2015 zum Thema „Cybermobbing“ statt.